Glücksspiel der Liebe
Kante des Schreibtischs. Ein paar Minuten würde er ihnen noch geben, auch wenn er es kaum erwarten konnte.
Er nahm einen langen Schluck aus dem Glas und betrachtete gedankenverloren die Karte in seiner Hand: Miss Fiona Fairchild. Vielleicht war das sogar ihr richtiger Name. Gleichwohl. Er drehte die Karte um und las. In eleganter, sicherer Handschrift stand dort eine Adresse am Bedford Square. Eine noble Anschrift hatte sie sich da ausgesucht. Wohnte Oliver nicht am Bedford Square? In der Tat, das war seine Adresse. Aber natürlich, das musste er ja so arrangieren, alles andere...
Ein schwacher Hauch von Unbehagen überfiel ihn.
Seit meiner Rückkehr aus Italien halten meine Schwestern und ich uns bei meinem Cousin und meiner Tante auf.
Das war doch wohl Teil der Rolle, oder? Obgleich eine Visitenkarte mit Olivers Adresse darauf möglicherweise ein klein wenig zu weit ging. Jonathon musste die Adresse doch sofort erkennen und dann wäre der Scherz beendet gewesen.
Falls es ein Scherz war.
Natürlich war es ein Scherz. Genau die Art von Streich, an der Norcroft, Warton und Cavendish ihren Spaß hatten. Oliver hatte doch noch nicht einmal eine Cousine. Oder? Jonathon zermarterte sich das Hirn. Fiona hatte erzählt, ihre Mutter sei die Schwester eines Earl gewesen. Falls ihn sein Gedächtnis nicht trog, war Olivers Tante mit einem Diplomaten verheiratet gewesen und vor langer Zeit verstorben. Wie hieß ihr Mann noch? Fargate? Fairfax? Ihm stockte der Atem. Fairchild?
Er musste sich irren. Das konnte nicht sein...
Oliver würde keine Mühen scheuen für einen gelungenen Streich. Aber niemals würde er ein Mitglied seiner Familie in so etwas hineinziehen. Jonathon stöhnte laut auf.
Fiona Fairchild war die Cousine des Earl of Norcroft.
Und Jonathon hatte gerade eingewilligt, sie zu heiraten.
Panik, schlicht und überwältigend, erfasste ihn. Es war ein Irrtum. Ein schrecklicher, schrecklicher Irrtum. Sicherlich würde Fiona — Miss Fairchild — das einsehen? Und sicherlich würde auch Oliver es einsehen?
Andererseits, sollte ihre absurde Geschichte der Wahrheit entsprechen — und momentan hegte er die starke Befürchtung, dass es so war — wäre die Frau wohl kaum geneigt, ihn aus seinem Wort zu entlassen. Sie versuchte verzweifelt, einer ungewollten Heirat zu entkommen. Und sie hatte zwar gesagt, er sei nicht ideal, doch sie schien ihn zu mögen. Zumindest, falls ihr Kuss als Hinweis gelten durfte.
Entgegen seiner vollmundigen Behauptungen gegenüber seinen Freunden hatte er im Moment keinerlei Bedürfnis zu heiraten, egal wie vollkommen die Frau auch sein mochte. Er war doch noch viel zu jung. Es gab so viele Dinge, die er ausprobieren wollte, bevor er sich an die Kette legen ließ. Die Verantwortung für eine Frau und — Gott steh ihm bei — Kinder! Oliver und die anderen hatten absolut Recht. Allein die Vorstellung war Furcht einflößend und ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Eine Heirat war etwas, das langsam und bedächtig geplant werden musste.
Nicht etwas, das man allein mit einer schönen Fremden und einer Flasche Champagner und in dem Glauben, es handele sich um ein raffiniertes Komplott, entschied!
Er ging zur Tür. Wenn er Fiona nicht sofort fand und daran hinderte, jemandem von ihrem Verlöbnis zu erzählen, bliebe er bis ans Ende seiner Tage die Zielscheibe des Spotts. Vor allem durften weder Oliver noch seine Mutter noch — er ächzte laut — seine eigene Mutter davon erfahren. Dann wäre er am Ende noch gezwungen, sie tatsächlich zu ehelichen.
Gerade, als er die Klinke berührte, wurde die Tür aufgerissen und er stand Nase an Nase mit seiner Schwester Lizzie, Lady Langley.
»Hast du vielleicht jemanden...« Er verrenkte sich den Hals um an ihr vorbeizusehen.
»Jemanden?« Lizzie trat an ihm vorbei in die Bibliothek. »Du meinst eine Frau? Sehr hübsch? Ziemlich aufgebracht?«
»Ja.« Er nickte eifrig. Obwohl ihm nicht ganz klar war, warum man Fiona als aufgebracht beschreiben sollte. Als sie ihn verließ, hatte sie ein bezauberndes Lächeln auf dem Gesicht gehabt.
Oder waren ihr bereits Zweifel gekommen? Er schöpfte Hoffnung. Vielleicht hatte sie wieder Vernunft angenommen und wollte doch lieber keinen Mann heiraten, den sie nicht kannte. Und schon gar nicht ihn. Oder vielleicht war die Vorstellung einer Eheschließung für sie ebenso entmutigend wie für ihn selbst, auch wenn sie keine andere Wahl hatte. Immerhin war sie lange genug dem Eheglück aus dem Weg
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