Glücksspiel der Liebe
römischer und griechischer Skulpturen.« Sie warf ihm einen Seitenblick zu. »Ihnen ist doch bewusst, dass die meisten davon nicht bekleidet sind?«
»Das schon; allerdings sind sie aus Stein und fühlen sich kühl an.«
»Das stimmt. Daher bieten sie auch wenig Herausforderung. Wir studierten Anatomie nicht nur anhand der Statuen, sondern auch in Büchern. Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem wir vom Leben selbst lernen mussten, von Menschen aus Fleisch und Blut.« Sie beugte sich vor. »Es ist etwas völlig anderes, müssen Sie wissen, aus einem Buch zu kopieren oder eine leblose Marmorgestalt abzubilden, als lebendige Wesen zu zeichnen.« Ein Grinsen stahl sich auf ihr Gesicht. »Sie haben die unangenehme Angewohnheit, sich zu bewegen. Sehr lästig«
»Zweifellos.«
»Jedenfalls beschloss Mrs Kincaid vor einigen Jahren, dass wir etwas Herausforderung bräuchten, um weitere Fortschritte zu machen. Wir bräuchten anspruchsvollere Motive. Also engagierte sie Modelle für uns.«
»Weibliche und männliche?«, fragte er.
»Zunächst nur Frauen. Ich glaube, es ist recht schwierig Männer zu finden, die nackt vor einer Gruppe junger Damen posieren.«
»Das kann ich mir gut vorstellen«, murmelte er. »Ich würde das bestimmt auch als sehr peinlich empfinden.«
»Wirklich? Aber es war doch nur eine Arbeit, für die sie sehr anständig entschädigt wurden. Es war nichts Persönliches daran. Weder von ihrer Seite, noch von unserer.«
»Dennoch würde ich nie...« Er schüttelte den Kopf. »Ich mag mir gar nicht ausmalen...«
» Nein? « Sie musterte ihn, als wollte sie seine Qualitäten als Aktmodell abschätzen. »Wie schade.«
»Also, Miss Fairchild, falls Sie glauben sollten, ich sei die Art von Mann, die sich im Namen der Kunst die Kleider vom Leib...«
Fiona lachte. »Das würde ich natürlich nie denken. Als Schriftsteller allerdings sollten Sie in der Lage sein, sich vorzustellen wie ein Mann sich in solcher Lage fühlen mag. Umgeben von jungen Frauen, die ihn so leidenschaftslos ansehen, als sei er nur ein Gegenstand. Oder wie er reagieren würde.«
Unweigerlich stellte er sich vor, wie ihr Blick leidenschaftslos auf seinem nackten Körper ruhen würde. Er war nicht sicher, wie er den Gedanken finden sollte, dass sie — oder eine andere Frau — seine nackte Gestalt l eide nschaftslos betrachten könnte. Sollte Fiona ihn jemals unbekleidet vor sich sehen, hoffte er doch auf eine etwas lebhaftere Reaktion von ihr. Ihm ginge es im umgekehrten Falle jedenfalls so.
Ohne Vorwarnung wandelte sich das Bild vor seinem inneren Auge zu Fiona in unbekleidetem Zustand. » Und? «
»Ich habe in der Tat eine recht lebhafte Phantasie«, murmelte er.
»Das dachte ich mir. Wie ich bereits sagte, es ist schwierig, männliche Modelle zu finden. Da aber Mrs Kincaid nie lange ohne männliche Begleitung blieb...«
»Miss Fairchild!«
»Habe ich Sie wieder schockiert?« Verblüfft sah sie ihn an. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass man Sie so leicht aus der Fassung bringen kann.«
»Kann man nicht.« Er stockte. »Normalerweise.«
»Schockiert Sie, was ich weiß oder was ich sage?«
»Beides.« Er seufzte. »Keines von beidem. Ich bitte um Vergebung, fahren Sie fort.«
»Viel mehr gibt es da nicht zu erzählen.« Sie zuckte die Achseln. »Eleanor überzeugte ihre... Gefährten dazu, Modell zu stehen. Und wenn ein alter durch einen neuen« — sie blitzte ihn neckisch an — » Gefährten ersetzt wurde, wurde der ebenfalls überzeugt.«
»Waren Ihnen all diese... Gefährten nicht unangenehm? Diese nackten Gefährten?«
»Nein«, gab sie unbekümmert zurück. »Es waren ja nicht meine Gefährten.«
Er konnte ein entsetztes Keuchen nicht unterdrücken.
»Verzeihen Sie.« Sie lachte. »Ich konnte nicht widerstehen. Es macht solchen Spaß, Sie zu schockieren.«
»Schön, dass Sie sich amüsieren.«
»Und wie.« Sie grinste wieder, dann wurde ihre Miene ernst. »Ich muss zugeben, dass ich anfangs etwas verlegen war. Aber im Laufe der Zeit sieht ein nackter Körper nicht so viel anders aus als eine Vase oder eine Frucht. Die Arbeit selbst wird etwas... lebendiger, denke ich, als das Motiv.« Nachdenklich zog sie die Brauen zusammen. »Sie müssen verstehen, wir waren nur eine sehr kleine Gruppe von Schülerinnen. Insgesamt sieben, und keine von uns unter zwanzig. Wir alle waren gut befreundet und das Thema unserer Arbeiten war unser Geheimnis. Manche waren talentierter als andere, manchen lag Kohle besser, anderen Ol.
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