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Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)

Titel: Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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brach es aus ihr heraus. »Dass du mich für eine
zerbrechliche, überempfindliche Prinzessin hältst, die bei jedem Windhauch umfällt.
Für eine hysterische Tussi, genau wie Eichelscheid und Harboth.« Abrupt blieb sie
stehen. »Sehe ich vielleicht so aus? Los, sag schon: Sehe ich so aus?«
    Ich stoppte
ebenfalls und tat ihr den Gefallen: Ich sah sie an. Viel Weibliches war da nicht.
Prinzessin noch weniger – und Hysterie? Nicht die Bohne. Ein schlanker, knabenhafter
Körper, verpackt in eine taillierte Windjacke und hautenge Hose. Das ausgezehrte
Gesicht mit den eng zusammenliegenden Augen erhitzt, auf der Stirn ein dünner Schweißfilm.
Ihre Kurzhaarfrisur war vollkommen unter der Mütze verborgen.
    »Nö«, sagte
ich. »Siehst du nicht.«
    Wütend funkelte
sie mich an. Dann lief sie weiter, stumm. Gelegenheit, sie auch von hinten zu betrachten:
ihre schmalen Hüften, die gerade Haltung, die dünnen Arme. Im Nacken ein Streifen
helle Haut. Sie hätte einen hübschen Jungen abgegeben, diese Katinka Glück. Bevor
ich ihr folgte, blies ich beide Nasenlöcher gründlich aus. Die Luft war eisig.
    Nachdem
wir uns eine Weile angeschwiegen hatten, gab ich mir einen Ruck. »Niemand hält dich
für eine Prinzessin«, sagte ich. »Ganz im Gegenteil. Prinzessinnen laufen zu dieser
Jahreszeit nicht durch den Wald. Sie sitzen zu Hause an Papas Kaminfeuer und knabbern
Zimtplätzchen.«
    Keine Reaktion.
Ein Ast, der noch vom letzten Sturm auf dem Weg lag, zwang mich zu einem Ausweichmanöver,
dann sprach ich weiter: »Wenn ich deine Sponsoren richtig verstanden habe, geht
es ihnen vor allem darum, dir den Rücken frei zu halten. Sportler deiner Kategorie
sollen sich nicht um jeden Mist selbst kümmern müssen. Also bekommst du optimale
Trainingsbedingungen, finanzielle Unterstützung, eine Art Dienstwagen und sogar
einen Aufpasser. Mich. Und wenn dann irgendwelche schrägen Typen seltsame Botschaften
überbringen, ist es das Normalste der Welt, erst einmal zu überprüfen, ob wir die
Angelegenheit nicht ohne dich regeln können.«
    »Ist es
nicht!«, fauchte sie.
    »Doch. Wir
haben dir ja nichts verheimlicht. Wir haben bloß eine Frage geklärt: Müssen wir
dich bei der Lösung des Problems mit einbeziehen?«
    »Schon diese
Frage ist ja wohl …«
    »Und wir
sind zu dem Schluss gekommen, dass es ohne dich nicht geht. Weil wir keine Ahnung
haben, wer hinter der Sache steckt.«
    »Ich auch
nicht!«
    »Schade.«
    »Was soll
das heißen: schade? Glaubst du, ich verschweige euch was?«
    »Nein«,
stöhnte ich. Herrje, wir drehten uns im Kreis! Und das, obwohl wir geradeaus fuhren.
Glaubst du dies, glaubst du jenes? Blöde Suggestivfragen! Ich konnte ja verstehen,
dass Katinka sauer war. Trotzdem hätte ich im Wiederholungsfall nicht anders gehandelt.
War schließlich meine Aufgabe, ihr Ärger vom Leib zu halten.
    »Über eine
Sache komme ich nicht hinweg«, hörte ich sie sagen. »Dass du auf der Rückfahrt von
Karlsruhe fast eine Stunde lang neben mir im Auto sitzt, ohne auch nur eine Andeutung
zu machen. Spielst mir die totale Normalität vor! Wie geht das, verdammt noch mal?«
    »Man nennt
es Professionalität«, brummte ich, aber eher für mich. Wie geht das …? Schon wieder
so eine doofe Frage!
    Obwohl …
War sie das? War sie doof – und war sie überhaupt eine Frage?
    Wie geht
das … Je mehr ich über Katinkas Satz nachdachte, desto besser gefiel er mir. Denn
dass es mit einer Andeutung während der Rückfahrt nicht getan war, wusste sie genauso
gut wie ich. Jede Andeutung meinerseits hätte zu Nachfragen geführt, sie hätte mich
gelöchert und bearbeitet und am Ende die ganze Geschichte erfahren. Das war so klar
wie Kloßbrühe.
    Und deshalb
handelte es sich bei ihrer Frage um gar keine Frage. Sondern um einen Aussagesatz.
Aber was war sein Inhalt? Ich suchte eine ganze Weile nach dem Wort, und dann hatte
ich es: Vertrauen. Die Erkenntnis kam so überraschend, dass ich fast vom Rad gefallen
wäre. Tatsächlich, das war es: Katinka hatte Vertrauen zu mir gefasst. Ganz einfach.
Sie erwartete Dinge von mir, die über meine Rolle als Aufpasser hinausgingen. Dinge,
die man sich nur unter Freunden erzählt, gegen alle Vernunft. Du, ich sollte es
dir eigentlich nicht sagen, aber weißt du, was mir eben passiert ist …? So in der
Art.
    Plötzlich
merkte ich, dass ich grinste.
    »Was gibt
es da zu lachen?«, kam es von der Seite.
    »Ich lache
nicht, ich bin guter Laune.«
    Ihre grünen
Augen blitzten. »Warum?«
    »Weil

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