Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
war die Teilnahme in London der Höhepunkt ihrer Karriere.
Irgendetwas musste an der Sache also dran sein.
Ehre … Verdammt,
wer legte sich für die Ehre der Teilnahme an dem Spektakel derart ins Zeug? Ich
wäre sofort auf die Seychellen geflogen, anstatt 42 Kilometer um Big Ben zu rennen.
Aber ich
war ja auch bloß ein verwurmter Privatdetektiv.
Zum Abschluss
meiner Recherchen telefonierte ich noch ein Weilchen mit meinem Journalistenfreund
Marc Covet, der zwar eher der Experte für Kunst und Lokales war, sich aber in meinem
Auftrag bei seinen Kollegen von der Sportredaktion umgehört hatte. Nach all den
subjektiv gefärbten Einschätzungen der Eichelscheids, Harboths und Grothes bekam
ich so zum ersten Mal eine nüchterne Außenansicht des bunten Marathonspektakels
geboten.
»Katinkas
Zeit von Berlin«, berichtete Marc, »kam für alle überraschend. Sie war so lange
weg vom Fenster, fast vier Jahre ohne Resultate, da hatte sie niemand auf der Rechnung.
Ursprünglich sollte sie bloß als Schrittmacherin für Birthe Möller dienen, lief
dann aber durch. Was viele in der Szene gefreut hat. Erstens hat Katinka einen guten
Ruf bei den Journalisten, und dann wissen alle, wie schwer es ist, Leistungssport
und Familie in Einklang zu bringen.«
»War diese
Birthe nicht sauer, dass Katinka plötzlich ihr eigenes Ding durchzog?«
»Offenbar
nicht. Soviel ich weiß, lautete die Absprache, dass Katinka bis zu einem bestimmten
Punkt die Pace machen sollte, dann aber freie Hand hätte. Und die Möller war ja
knapp vor ihr im Ziel, ebenfalls mit Normerfüllung. Im DLV sind sie fast ausgeflippt
vor Begeisterung.«
»Und die
Dritte im Bunde? Romy heißt sie wohl.«
»Romy Feierabend,
ja. Die ist ein interessanter Fall. Zum einen hatte sie die Quali schon früh in
der Tasche, und zwar ganz souverän. Mit ihrer 2:26 gilt sie als die stärkste Deutsche,
auch wenn sie momentan gesundheitliche Probleme hat.« Durchs Telefon hörte ich ihn
in seinen Unterlagen wühlen. »Zum anderen war die gute Romy, damals noch unter ihrem
Mädchennamen Grothe, zwei Jahre wegen Dopingvergehens gesperrt.«
»Unter welchem
Namen? Grothe?«
»Ja.«
»Aber so
heißt doch der Trainer von Katinka!«
»Vorname?«
»Keine Ahnung.
Wie alt ist Romy denn?«
»Ein Jahr
älter als die Glück, glaube ich. Also 34. Ihr Vater war ein erfolgreicher Langstreckler
in der DDR, später als Trainer tätig, bis man ihn irgendwann aus dem Verkehr zog.
Ebenfalls wegen Doping. Es gibt aber auch noch einen Cousin, der als Trainer arbeitet.«
»Der wird
es sein. Romys Cousin als Trainer Katinkas – findest du das nicht komisch?«
Covet seufzte.
»Ich stelle mir das wie in der Kulturszene vor: Da kennt auch jeder jeden, alle
hatten was miteinander, sind kreuz und quer verschwippt und verschwägert.«
»Wenn du
das sagst … Trotzdem seltsam. Was war das für eine Dopinggeschichte, die Romy die
Sperre einbrachte?«
»Epo. Vor
acht Jahren.«
»Das Zeug,
das die Radfahrer nehmen?«
»Es wirkt
bei allen Ausdauersportarten. Romy lief damals noch keine Marathons, sondern 5.000
und 10.000 Meter. Sie hat zwar beteuert, nie was Verbotenes genommen zu haben, aber
es war wohl ein ziemlich eindeutiger Fall.«
»Zumal mit
Vorgeschichte.«
»Du meinst
den Vater? Ja, wobei man das schlecht vergleichen kann. Vater Grothe war Teil eines
Systems, das von A bis Z auf Doping fußte und alle einspannte: Ärzte, Trainer, Funktionäre
und irgendwo ganz am Ende auch die Athleten. Grothe hat zunächst als Sportler davon
profitiert, in den Siebzigern war das, später auch als Trainer. Seine Tochter ist
ein anderer Fall. Sie hat sich als Einzelperson zum Doping entschlossen. Dass beides
gleichzeitig hochgekocht wurde, erst der Prozess gegen den Alten, dann die positive
Probe der Tochter, war Zufall.«
»Kann man
als Einzelperson dopen? Ohne einen Arzt, der dir sagt, wie viel du von dem Zeug
nehmen sollst? Ohne Mittelsmänner, die dir den Stoff besorgen?«
»Nein, höchstwahrscheinlich
nicht. Aber es ist ein Unterschied, ob das Sportsystem eines Staates von oben her
dopingverseucht ist und den Athleten zum Mitdopen zwingt – oder ob du selbst wählen
kannst, wie du deine Erfolge erzielst: legal oder illegal.«
»Meinst
du? Ich weiß nur, dass im Radsport hinter jedem Dopingfall eine ganze Crew von Experten
stand. Einer beschaffte, einer bezahlte, einer dosierte, einer spritzte. Und einer
sorgte für das saubere Image des Teams. Egal. Erzähl mir lieber, was mit den
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