Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
mitfühlend.
Ich nickte.
Die Siedlung
hieß »Am Gleisdreieck« oder so ähnlich, aber sollten auf den umlaufenden Wällen
noch Schienen liegen, waren sie nicht mehr in Gebrauch. Ringsum herrschte Stille,
die Stadt schien weit entfernt. Fischer parkte direkt vor dem Eingang der Siedlung.
Eine pittoresk verrostete Metalltafel bot einen Übersichtsplan über die Lage der
mehr als 200 Parzellen.
»Hierhin
geht’s«, sagte der Kommissar und tippte mit dem Finger auf Parzelle Nummer 47. »Kommen
Sie mit?«
Achselzuckend
folgte ich ihm. Es klang wie ein Spiel, das der Kerl mit mir spielte. Der Kommissar
mit dem Privatdetektiv: Hab da was für Sie, Herr Koller. Kommen Sie mit? Um was
geht es wohl? Raten Sie doch mal! Ich war zu müde zum Raten.
Gleich hinter
dem Eingang verzweigte sich der asphaltierte Hauptweg. Die Nebenwege trugen lustige
Vogelnamen, und das musste wohl so sein, denn was ich im Schlendern von der überall
aushängenden Siedlungsordnung mitbekam, klang überhaupt nicht lustig. Wir schritten
an Zäunen vorbei, hinter denen Städters Paradiesgärtlein schlummerte: Beete, englischer
Rasen, Goldfischtümpel und kniehohe Windmühlen. Ab und zu eine Formation Gartenzwerge,
Spaten und Rechen wie zum Sturmangriff gezückt. Ich sah Kinder auf der Suche nach
Ostereiern umherflitzen. Unter einer milchigen Plastikplane hielt eine Hollywoodschaukel
ihren Winterschlaf. Und natürlich stand auf jeder Parzelle eine Hütte. In manchen
hätte eine fünfköpfige Familie bequem leben können.
»Irgendwie
sind die alle gleich, diese Schrebergärten«, nölte ich, beide Hände in den Taschen.
»Kann ich mir auch in Heidelberg angucken.«
»Wetten,
dass Sie gleich Ihre Meinung ändern werden?«, grinste der junge Fischer. »Noch ein
paar Meter. Riechen Sie es nicht?«
Ich tat
ihm den Gefallen und sog Luft ein. Wie sollte es hier schon riechen? Nach Erde und
Pflanzen und etwas Rauch. Nichts Besonderes.
Oder? Noch
einmal schnuppern. Wenn ich ehrlich war, roch es sogar ziemlich penetrant nach Rauch.
Ein Stück vor uns stieg schmutziger Qualm über den Hecken auf.
»Eine Frage,
Herr Koller.« Der Kommissar hakte mich vertraulich unter. »Meinen Sie, ich könnte
ein Autogramm von Katinka Glück bekommen? Früher wollte ich selbst mal Leistungssportler
werden, Kurz- und Mittelstrecke. War dann aber nix. Jetzt sammle ich Autogramme
und so Zeug.«
»Ich werde
sie fragen. Was ist da vorne los? Ein Brand?«
»Allerdings.
Ein schönes Häuschen stand dort. Aber jetzt … Sehen Sie selbst.«
Wir hatten
die Nummer 47 erreicht. Eine Parzelle, die sich in nichts von den anderen unterschied,
höchstens etwas weniger gepflegt wirkte. Und dann natürlich die Hütte: ein rauchender
Trümmerhaufen aus verkohlten Holzbohlen und undefinierbaren, geschmolzenen Klumpen.
Feuerwehrleute und Jungs von der Spurensicherung tappten durch das Gelände, weiter
hinten wartete ein kleiner Bagger auf seinen Einsatz.
»Das war
aber nicht die olympische Flamme, die das verursacht hat?«, sagte ich.
Fischer
lachte. »Ganz bestimmt nicht. Um ein Gebäude derart herunterzubrennen, brauchen
Sie einiges an Brandbeschleunigern. Da wollte jemand nicht bloß Zerstörung anrichten,
sondern Spuren beseitigen, und zwar gründlich.«
»Und warum
zeigen Sie mir das hier?«
»Tja … Was
glauben Sie, wie der Besitzer der Hütte hieß?«
Also doch
raten. Der Besitzer eines Berliner Schrebergartens, und ich sollte seinen Namen
kennen. Wobei Fischer zwo die Vergangenheitsform des Wortes »heißen« gewählt hatte.
Wie man über einen Toten redet.
Ich zuckte
die Achseln. »Tietjes Zweitwohnsitz?«
»Sieht so
aus. Permafrost in Kienbaum, Feuersbrunst in Marienfelde. Ganz schön makaber, was?«
Ich gab
ihm recht. Zwischen den Tiefkühltemperaturen, die Tietje zum Verhängnis geworden
waren, und dem Brandanschlag hier lagen Hunderte, wenn nicht Tausende Grad Celsius.
Einmal Hölle und zurück. Da war jemand ganz arg böse auf meinen Kollegen gewesen
und wollte ganz sicher gehen, dass er kein Unheil mehr anrichten konnte. Weder er
noch seine Hinterlassenschaft.
»Vorgestern
Nacht stand das Ding plötzlich in Flammen«, erzählte Fischer zwo, während wir das
Gelände in Augenschein nahmen, soweit es die Sperren der Spurensicherung zuließen.
»Mit ordentlich Krach und Stichflammen und allem Drum und Dran, wie es hieß. War
nicht viel los in der Siedlung zu dem Zeitpunkt. Aber auch wenn die Feuerwehr sofort
am Brandherd gewesen wäre, hätte sie nicht viel
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