Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
dabei?«
»Gibt es
beim Olympiastadion ein Café?«
»Bitte?«
Nun hatte ich sie doch verblüfft.
»Ein Café
in der Nähe des Stadions. Um sich zu treffen.«
»Ach so!
Ja, natürlich gibt es das. Warten Sie …« Eine Tastatur klapperte, gleich darauf
bekam ich den Namen einer Kneipe mitgeteilt. »Die liegt in Sichtweite des Olympiastadions,
oben an der S-Bahn-Station. Wann können Sie kommen?«
»Sagen wir,
um drei. Bis dahin dürfte ich hier durch sein.«
»Und woran
erkenne ich Sie?«
»Ach, das
haben Sie noch nicht eruiert? Kein Problem. Sollte jemand in Ihrer Nähe nach Rauch
stinken wie Schwarzwälder Wacholderschinken, dann bin ich das.«
27
Kommissar Fischer, die blonde Sportskanone,
war gnädig. Als er sah, dass ich fast auf dem Stuhl einschlief, beschränkte er seine
Fragen auf das Notwendigste und entließ mich. Liebend gern hätte er mir einen Kaffee
spendiert, sagte er – aber, aber: die Kaffeemaschine.
»Kaputt«,
bedauerte er. »Total kaputt.«
»Tja.« So
groß war mein Verlangen nach Beamtenkaffee auch wieder nicht, da reichte mir ein
hübsch gelispelter Satz zum Abschied als Entschädigung.
»Ja, leider.
Defekt.«
»Hinüber?«
»Komplett
hinüber.«
»Schade.«
Und das war es wirklich, denn Fischer zwo schaffte es, sich um sämtliche Lispelklippen
herumzumanövrieren.
»Gute Heimfahrt,
Herr Koller.«
»Wiedersehen.
Tschüs.«
»Ade«, sagte
er und zwinkerte mir zu.
Gähnend
schleppte ich mich zu meinem Smart. Friedrichshain im Berliner Osten und Marienfelde
im Süden kannte ich schon, nun ging es nach Charlottenburg. Ich folgte der Beschilderung
Richtung Westen, bis ich die beiden Türme des Olympiastadions über die Häuserzeilen
ragen sah. Die Nazitürme, gegen die heute die Herthafans pinkelten, wenn es mal
wieder eine Heimniederlage zu begießen galt.
Am Südrand
des Stadions führte die S-Bahn-Linie vorbei. Ich parkte in der Flatowallee direkt
vor der Kneipe. Die Eingangstür klemmte, und auch sonst schien die Einrichtung komplett
aus Rudis Resterampe zu stammen. Sogar die Bedienung wirkte billig. Ich bestellte
einen Kaffee und wunderte mich, dass er nicht in Plastiktässchen serviert wurde.
Noch mehr wunderte ich mich, als ich ihn kostete.
Er schmeckte
prima!
Jaja, die
Vorurteile. Es ging auch gleich weiter so, denn im nächsten Moment öffnete sich
die Tür, und Madeleine Klein betrat das Lokal. Sie sah ganz anders aus, als ich
sie mir vorgestellt hatte. Statt einer biestigen Yellow Press-Schlampe rauschte
eine aufgetakelte Wagner-Heroine herein. Mini-Notebook und Organizer unterm Arm,
die dunkelblonde Walkürenmähne nur halb durch Spangen und Klammern gebändigt, dazu
weiche, fließende Gewänder. Zum Discounterinterieur der Kneipe passte sie wie die
sprichwörtliche Faust aufs Auge, und deshalb konnte es sich bei der Dame nur um
meine Verabredung handeln.
»So schlimm
ist es doch gar nicht«, sagte sie, mir die Hand reichend.
»Was?«
»Ihr Räucherschinkenodeur.«
»Ach, das.«
Ich verkniff mir die Anmerkung, dass auch sie nicht so klein war, wie ihr Nachname
erwarten ließ, und fragte mich, warum sie immer noch mit gepresster Stimme sprach.
Da war nämlich nirgends eine Nasenklammer zu entdecken.
Anscheinend
konnte Madeleine Klein Gedanken lesen. Während sie sich aufseufzend niederließ,
zeigte sie mit dem Daumen über die Schulter. »Der Frühling ist die Hölle für mich.
Sogar hier in der Stadt. Ich bin hochallergisch! Vor Jahren musste mich im Fläming
der Notarzt unter die Lebenden zurückholen. Seitdem recherchiere ich nicht mehr
in der Provinz. Höchstens im Winter.«
Die Art,
wie sie dabei den Kopf zurückwarf, ihr Haupthaar schüttelte und mich mit strengem
Blick gleichsam von oben musterte, verriet mir, dass man sämtliche Charaktereigenschaften
Frau Kleins mit der Vorsilbe hoch- zu versehen hatte. Bestimmt war sie nicht nur
hochallergisch, sondern auch hocherregbar, hochgebildet, hochprofessionell. Vielleicht
sogar hochhochmütig.
»Tut mir
leid wegen der Kneipe«, sagte ich. »Ich kenne mich in Berlin nicht aus, sonst hätte
ich Ihnen etwas anderes vorgeschlagen.«
»Was?« Sie
sah sich um, als bemerke sie erst jetzt, wohin sie da geraten war. »Das spielt für
mich keine Rolle. Solange wir uns nicht in irgendeinem Abwasserkanal treffen müssen
… Wie ist der Kaffee?«
»Geradezu
verdächtig gut.«
Sie bestellte
ebenfalls einen. Dann bohrte sie ihren Walkürenblick in meinen und fragte: »Seit
wann kennen Sie Herrn
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