Glücksspiele: Kollers sechster Fall (German Edition)
Tietje?«
»Kennen?«,
grinste ich zurück. »Gar nicht.« Eine sympathische Hauptstadt, in der die Polizei
lispelte und der Enthüllungsjournalismus durch die Nase sprach. Wahrscheinlich schwäbelten
die Zoodirektoren und Haushaltsdebatten wurden gesungen.
Aber Madeleine
Klein schaute immer noch so streng! Also fuhr ich fort: »Wir sind uns über den Weg
gelaufen, er und ich. Unsere Ermittlungen haben sich gekreuzt, und vermutlich gibt
es Überschneidungen zwischen dem, was er tat und was ich tue. Um welche Überschneidungen
es sich handelt, versuche ich gerade herauszufinden.«
»Das heißt,
Sie wissen nicht, womit sich Tietje in den letzten Wochen beschäftigte?«
»Leider
nein.«
»Gut, lassen
wir das einmal so stehen. Vielleicht möchten Sie mir stattdessen erzählen, in welchem
Umfeld sich Ihre Ermittlungen derzeit bewegen.«
»Warum sollte
ich?«
»Um abschätzen
zu können, welchen Wert Ihre Informationen für meine Zeitung haben. Dazu sollten
Sie mir wenigstens in Umrissen von Ihrer Tätigkeit berichten. Erst dann kann ich
Ihnen ein Angebot machen.« Dabei schob sie mir eine Karte über den Tisch. Dr. Madeleine
Klein, las ich, dazu Redaktionsadresse und Durchwahl.
»Vielleicht
interessiert mich dieses Angebot überhaupt nicht.«
»O-hu!«,
machte sie; es war wohl eine Art Redaktionslache. Oder ein allergischer Reflex.
»Was könnte Sie sonst interessieren, Herr Koller?«
»Eine Antwort
auf die Frage, wer Tietje umgebracht hat. Und warum.«
»Na, sehen
Sie. Dann sind wir gewissermaßen eine Interessensgemeinschaft, Sie und ich. Denn
genau dies möchte ich auch wissen. Sie liefern mir Ihre Erkenntnisse, und ich mache
einen Artikel daraus. Auch aus Verpflichtung gegenüber dem bedauernswerten Herrn
Tietje.«
Ich kratzte
mich im Nacken und sah aus dem Fenster. Tietje und bedauernswert? Natürlich war
er das. Aber auch ein Kotzbrocken. Ein schmieriger Typ, der schmierigen Blättern
schmierige Storys verkaufte. »Welche Geschichte hat er Ihnen angeboten?«, fragte
ich. »Worum ging es, Frau Klein? Und erzählen Sie mir nicht, Sie hätten keine Ahnung.«
»Um Sport«,
sagte sie und legte den Kopf schief. »Er versprach mir brandheißes Material aus
der Leichtathletikszene. Details rückte er nicht heraus.«
»Welcher
Bereich der Leichtathletik? Ging es um bestimmte Sportler oder die Szene überhaupt?
Um Funktionäre, um Sportpolitik?«
»Ich weiß
es wirklich nicht.«
Wie bedröppelt
sie dreinschaute! Gleich würde sie in eine Arie über die Schlechtigkeit der Welt
ausbrechen. Ich hasse Arien, vor allem von Walküren gesungene, daher stand ich auf
und sagte: »Hat mich gefreut, Frau Klein. Soll ich meinen Kaffee selbst zahlen?«
»Geht selbstverständlich
auf Kosten der Redaktion«, lächelte sie. Danach herrschte eine Sekunde lang Stille
zwischen uns. Vielleicht war es auch bloß eine halbe Sekunde oder noch weniger,
aber die Zeit dehnte sich endlos, denn sie war gefüllt mit Erwartung. Eine Zerreißprobe,
die Atemlosigkeit vor dem Startschuss. So wie ich spürte, dass die Klein ihr Lächeln
nur mit Mühe beibehielt, sah man mir wahrscheinlich an, dass ich alles Mögliche
vorhatte, nur nicht zu gehen.
Ihr Räuspern
ließ die Spannung zwischen uns wie eine Seifenblase platzen. »Ich glaube«, sagte
sie und atmete tief durch, »ich glaube, es ging um Doping.« Sie lehnte sich zurück.
»Um Doping?«
»Ja, Tietje
erwähnte so etwas einmal.«
Ich wartete.
War das nun ein Köder, um mich an den Tisch zurückzulocken? Mal schnell einen Begriff
in die Runde werfen, der alle hellhörig macht und der doch nichts sagt? Sprach man
von Sport, ging es immer irgendwie um Doping. Am Stammtisch, im Verein, in der Politik.
»Geht es
ein bisschen präziser?«, sagte ich.
»Nun setzen
Sie sich schon«, seufzte sie. »Und bitte lassen Sie diese Muskelspielchen, Herr
Koller. Ich bin sicher, dass auf beiden Seiten das Interesse an Informationen gleich
groß ist. Also unterhalten wir uns wie zivilisierte Bürger.«
Ich tat
ihr den Gefallen und nahm wieder Platz. Allerdings nicht ohne zuvor ein Bier zu
bestellen.
»Doping
also«, sagte ich. »Nichts liegt näher. Wer, wann, womit?«
Sie lächelte.
»Warum rede eigentlich ich die ganze Zeit? Aber gut, einer muss ja den Anfang machen.
Unsere Redaktion hatte vor einigen Jahren schon einmal Kontakt zu Tietje. Es ging
damals um die Sexaffäre eines Berliner Politikers. Nun trat er von sich aus an mich
heran und behauptete, Informationen über flächendeckendes Doping
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