Glueckstreffer - Roman
Sophie setzten sich nebeneinander auf ein burgunderrotes Sofa im viktorianischen Stil, das farblich zur dunkelroten Tapete passte.
»Haben Sie Tim persönlich gekannt?«, begann Lucy, gab sich jedoch schnell selbst die Antwort: »Nein, das kann nicht sein. Dafür sind Sie zu jung.«
»Sie haben recht. Gekannt habe ich ihn nicht. Aber ich habe ihn gesehen. Einmal. Am Tag des Unfalls.«
Für einen Moment wich das Lächeln aus Mrs. McDonalds Gesicht, und sie seufzte. »Verstehe«, sagte sie wie zu sich selbst. »Am Tag des Unfalls oder beim Unfall selbst?«
Sophie räusperte sich. »Beim Unfall selbst. Bevor man ihn ins Krankenhaus gebracht hat.«
Lucy McDonald nickte. Dann wandte sie sich an Evalynn: »Und Sie? Haben Sie ihn ebenfalls bei diesem Unfall gesehen?«
Evalynn schüttelte nur schweigend den Kopf.
Lucy richtete ihre Aufmerksamkeit erneut auf Sophie. »Er war ein guter Junge. Hatte wohl wie jeder seine Probleme. Aber er war ein guter Junge.« Den Blick weiter auf Sophie gerichtet, gab sie sich ihren Erinnerungen hin. »Den Tag, an dem ich es erfahren habe, werde ich nie vergessen. Sein Kind zu verlieren, ist für eine Mutter das Schlimmste, was passieren kann. Als der Anruf kam, wäre ich am liebsten gestorben.« Sie verzog das Gesicht und schüttelte langsam den Kopf. »Er hat drei Tage im Krankenhaus gelegen, ohne dass mich jemand informiert hätte. Warum hat mir niemand Bescheid gesagt? Ich hätte ihn gern noch einmal gesehen. Aber das war mir nicht vergönnt.« Lucy blinzelte. Sie fixierte Sophie aufmerksam. »Wie kam es, dass Sie ihn gesehen haben? Haben Sie beobachtet, wie es zu diesem Unfall gekommen ist?«
Sophies Mundwinkel zuckten. »Ja. Leider sogar aus nächster Nähe. Ich habe in einem der Autos gesessen. Nach dem Unfall habe ich gesehen, wie die Sanitäter versucht haben, Ihrem Sohn zu helfen.« Sie machte eine Pause. »Es ist alles sehr lange her, aber die Sache mit Ihrem Sohn tut mir unendlich leid, Mrs. McDonald.«
Lucy McDonald war trotz ihres Alters ausgesprochen geistesgegenwärtig. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, mich zu finden und hierherzufahren, nur um mir zu sagen, dass Sie meinen Sohn kurz vor seinem Tod gesehen haben.« Sie neigte den Kopf leicht zur Seite und beugte sich im Sessel vor. »Ich mag es nicht, wenn man um den heißen Brei herumredet. Was haben Sie auf dem Herzen, Miss Sophie?«
Sophie versuchte ein Lächeln und reichte der alten Frau Ellens Kopie des Polizeiberichts. »Hierauf bin ich kürzlich gestoßen. Es ist die offizielle Schilderung des Unfallhergangs. Vielleicht interessiert es Sie, was in jener Nacht geschehen ist.«
Lucy McDonald warf ihr einen prüfenden Blick zu. »Das ist nett von Ihnen. Wäre aber nicht nötig gewesen.« Dennoch nahm sie den Bericht entgegen und blätterte ihn oberflächlich durch. Nachdem sie die ihren Sohn betreffenden Stellen gelesen hatte, sah sie auf. »Steht mehr oder weniger das drin, was sie mir damals erzählt haben. Haben Sie wirklich die lange Fahrt auf sich genommen, um mir dieses Schriftstück zu zeigen?«
»Ja.«
»Das ist alles?«
»Nicht … ganz. Mrs. McDonald, ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Die Unfallursache kann technisches Versagen oder schlechtes Wetter gewesen sein, wie hier festgestellt wurde. Aber die Umstände sind sehr viel komplizierter.«
Lucy McDonald lehnte sich zurück und lachte krächzend. »Jetzt reden Sie aber wirklich gewaltig um den heißen Brei herum! Hat die Geschichte auch eine Pointe?«
Sophie sah flüchtig zu Evalynn, deren Gesichtsausdruck sie dazu ermutigte weiterzusprechen.
»Also gut, kommen wir zur Sache. Alle haben den heftigen Regen für den Unfall verantwortlich gemacht. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit, und genau die sollen Sie erfahren. Bevor es zur Kollision der Autos kam, hat jemand einen schrecklichen Fehler gemacht.«
Die alte Frau blinzelte heftig. »Ach herrje«, murmelte sie und seufzte tief. »Ich habe mich immer gefragt, ob Tim vielleicht die Schuld trägt. Wollen Sie das damit andeuten? Sind Sie deshalb hier?«
»Wie bitte? O nein! Ganz und gar nicht. Es war … eine andere Person, die sich seither ihr Leben lang schreckliche Vorwürfe gemacht hat. Ich meine über das, was sie angerichtet hat.«
Mrs. McDonald kniff die Augen zusammen. »Sagen Sie jetzt bloß nicht, dass Sie sich für die Schuldige halten«, bemerkte sie ungläubig.
»Doch«, stammelte Sophie. »Ich bin daran schuld.«
»Was Sie nicht
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