Glueckstreffer - Roman
übertrieben desinteressiertem Tonfall.
»Wollte mich nur erkundigen, wie’s so bei deinem Ausflug läuft. Der ist doch heute, oder? Mit wem sagtest du, fährst du?«
»Den Namen habe ich nie erwähnt.«
»Ja, stimmt … Wie steht’s mit den Zuschriften? Kommen wir unserer Verabredung schon näher?«
»Ich gehe die Briefe gerade durch«, erwiderte sie. »Aber gut sieht es für dich nicht aus.«
»Tja, es gibt doch eine ganze Menge Verrückter auf dieser Welt«, frotzelte er. »Die erkennen das Glück nicht mal, wenn man es ihnen auf dem Tablett serviert.«
»Was soll das heißen?«
»Ich mache nur Spaß, Sophie. Aber mal im Ernst. Wie viele positive Antworten haben wir inzwischen? Siebzig? Achtzig?«
»Zwölf«, flötete sie süffisant. »Aber ich habe aktuell noch etwa zweihundert Briefe auf dem Schoß, sodass wir heute Abend vielleicht bei dreizehn sein könnten.«
Garrett lachte. Er wollte gerade mit einem Witz kontern, da schnitt Sophie ihm das Wort ab. »Moment, Garrett. Bin gleich wieder da. Habe einen anderen Anruf in der Leitung.« Garrett hörte, wie sie umschaltete. Kurz darauf meldete sie sich wieder. »Bist du noch da?«
»Ja. Wer war das?«
»Das wüsstest du wohl gern, was?«
»Stimmt in der Tat.«
»Tut mir leid, Garrett. Ich muss diesen Anruf annehmen. Ich möchte ihn nicht zu lange warten lassen.«
Garrett knirschte mit den Zähnen. » Ihn ? Wer ist ihn ?«
»Er heißt Alex.«
Am anderen Ende war es plötzlich still. »Und woher kennst du diesen Alex?«
»Oh, unsere Wege haben sich rein zufällig gekreuzt. Und wir mochten uns sofort. Er ist ein wirklich netter Kerl.«
Garrett fühlte, wie sein Adrenalinspiegel stieg. »Im Ernst? Du … Du triffst dich mit ihm? Einfach so?«
»Wie, einfach so?«
»Keine Ahnung. Wenn ich mich recht erinnere, hast du behauptet, Männer spielten keine Rolle mehr in deinem Leben.«
»Garrett, ich kann ihn nicht länger warten lassen. Bye!«
Lucy McDonald wohnte am Ende einer staubigen Straße auf einem kleinen Grundstück am Stadtrand. Das Haus besaß den Charme eines alten Bauernhauses. Falls je eine intakte Landwirtschaft dazugehört hatte, war diese längst aufgegeben worden. Eine ungemähte Wiese mit Kräutern umgab das spitzgiebelige Haus. Die Grundstücksgrenze markierten stämmige Ahornbäume, die ihr Herbstlaub bereits abgeworfen hatten.
Nach vierstündiger Autofahrt lenkte Evalynn den Wagen in die Auffahrt der McDonalds. Dort hielt sie an, und Sophies Blick schweifte über die Fensterreihe der Hausfront. Sie suchte nach Anzeichen, ob jemand zu Hause war, und ihr Magen krampfte sich nervös zusammen, als sie sah, dass hinter zwei Fenstern Licht brannte.
»Kommst du mit rein?«, fragte Sophie Evalynn.
»Soll ich? Möchtest du das denn?«
Sophie atmete tief durch, um sich zu beruhigen. »Ja. Ich könnte Unterstützung gebrauchen.«
Die beiden jungen Frauen stiegen aus dem Wagen und gingen zu der geräumigen, überdachten Veranda, die das rechteckige Haus an drei Seiten umgab. Sophie klingelte.
Schon nach wenigen Augenblicken schwang die Tür langsam auf, und vor ihnen stand eine kleine, leicht gebeugte ältere Frau. Sie lächelte. »Ja, bitte?«
»Sind Sie Lucy McDonald?«, begann Sophie.
Die Frau zwinkerte ihr zu. »Das letzte Mal, als ich in den Spiegel geschaut habe, war ich’s noch.« Sie sprach langsam, jedoch klar und deutlich. »Kennen wir uns?«
»Nein, Ma’am.«
»Sicher nicht? Könnte schwören, Ihr Gesicht schon mal gesehen zu haben.« Sie hob einen knöchernen Finger. »Ich hab ein gutes Personengedächtnis. Namen sind Schall und Rauch für mich, aber ein Gesicht vergesse ich nie …« Sie verstummte und musterte Sophies Haar, ihre Augen, Mund und Kinn und erneut ihre Augen.
Sophie versuchte, nicht darauf zu achten. »Entschuldigen Sie die Störung, Mrs. McDonald. Mein Name ist Sophie. Ich wollte mit Ihnen über Ihren Sohn Tim sprechen. Haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich?«
»Tim? Oh, mein lieber, lieber Tim! Sie wissen, dass er tot ist, oder?«
Sophie nickte. »Ja. Darüber wollte ich mit Ihnen reden.«
»Also dann«, sagte die alte Frau mit brüchiger Stimme. »Stehen wir doch nicht länger draußen herum. Kommen Sie rein!«
Lucy ging ihnen durchs Haus in einen Raum voraus, der das Esszimmer mit dem großen Wohnzimmer verband. Im Kamin brannte ein kleines Feuer. Die Atmosphäre war gemütlich. Lucy stützte sich auf die Lehnen eines hohen Sessels und ließ sich langsam auf die Polster nieder. Evalynn und
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