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Gluehende Dunkelheit

Gluehende Dunkelheit

Titel: Gluehende Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Carriger
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Lyall erreichte das BUR-Büro in Canterbury kurz vor der Morgendämmerung und immer noch in Wolfsgestalt. Sein tierisches Äußeres war unscheinbar, aber ordentlich. Sein Fell hatte dieselbe sandbeige Farbe wie sein Haar, nur mit einem schwarzen Schimmer an Gesicht und Hals. Als Wolf war er nicht sehr groß, weil er das auch als Mensch nicht war und die Grundprinzipien der Umwandlung von Masse, ob nun übernatürlich oder nicht, auch für Werwölfe galten. So wie jedes andere Wesen waren auch sie den Gesetzen der Physik unterworfen.
    Die Verwandlung dauerte nur wenige Augenblicke. Sein Fell zog sich von seinem Körper zurück und wanderte nach oben, um zu Haaren zu werden, seine Knochen knirschten und formten sich vom Vierfüßler zum Zweibeiner, und seine Augen wurden von fahlgelb zu einem sanften Haselnussbraun. Während er durch die Nacht gelaufen war, hatte er einen Mantel im Maul getragen, den er sich überwarf, sobald er wieder menschliche Gestalt angenommen hatte. Er verließ die Gasse, ohne dass jemand etwas von der Ankunft eines Werwolfs in Canterbury bemerkt hätte.
    Müde lehnte er sich an den Türpfosten des Büros und döste leicht vor sich hin, bis der anbrechende Morgen den ersten der einfachen Büroangestellten in Erscheinung treten ließ.
    »Wer sind Sie denn?«, wollte der Mann wissen.
    Professor Lyall löste sich vom Türrahmen und trat zur Seite, sodass der Angestellte sie aufschließen konnte.
    »Nun?« Der Mann versperrte ihm den Weg, als Lyall ihm nach drinnen folgen wollte.
    Lyall zeigte seine Reißzähne. In der Morgensonne war das kein einfaches Unterfangen, doch er war schon lange genug Werwolf, um es hinzukriegen. »Beta des Rudels von Woolsey Castle, BUR-Agent. Wer ist in diesem Büro für Vampir-Registrierung zuständig?«
    Der Mann, unbeeindruckt von Lyalls Demonstration übernatürlicher Fähigkeiten, antwortete ohne zu zögern. »George Greemes. Er wird so gegen neun hier sein. Die Garderobe ist dort drüben um die Ecke. Soll ich den Laufburschen für Sie zum Metzger schicken, sobald er da ist?«
    Professor Lyall wandte sich in die ihm gewiesene Richtung. »Ja, bitte. Drei Dutzend Würste, wenn Sie so freundlich wären.«
    Die meisten BUR-Büros lagerten Ersatzkleidung in ihren Garderobenräumen. Er fand ein paar verhältnismäßig anständige Kleidungsstücke, wenngleich sie nicht ganz nach seinem anspruchsvollen Geschmack waren, erst recht nicht die Weste. Danach verschlang er hungrig mehrere Wurststränge und machte es sich auf einer gemütlichen Ottomane bequem, weil er dringend ein Nickerchen halten musste. Kurz vor neun erwachte er und fühlte sich wieder wie ein Mensch – oder zumindest so menschlich, wie es Übernatürlichen möglich war.
    George Greemes war aktiver BUR-Agent, aber kein Übernatürlicher. Er hatte ein Gespenst als Partner, das diesen Nachteil wieder ausglich, das aber, aus naheliegenden Gründen, nicht vor Sonnenuntergang zur Arbeit erschien. Greemes war deshalb ruhige Tage voller Papierkram und wenig Aufregung gewöhnt und nicht gerade erfreut darüber, dass Professor Lyall auf ihn wartete.
    »Wer, sagten Sie noch gleich, sind Sie?«, fragte er, nachdem er Lyall in seinem Büro vorgefunden hatte, der dort schon auf ihn gewartet hatte. Greemes nahm seine abgenutzte Kreißsäge ab und warf den Hut auf einen Topf mit etwas, das wie das Innenleben mehrerer schwer mitgenommener Standuhren aussah.
    »Professor Randolph Lyall, zweiter Anführer des Woolsey-Castle-Rudels und stellvertretender Verwalter übernatürlicher Angelegenheiten für Zentral-London«, sagte Lyall und sah Greemes von oben herab an.
    »Sind Sie nicht ein bisschen zu dürr, um Beta von jemandem wie Lord Maccon zu sein?« Der BUR-Agent fuhr sich mit der Hand über die langen Koteletten, als wolle er sichergehen, dass sie sich immer noch an Ort und Stelle befanden.
    Lyall seufzte. Solche und ähnliche Fragen bekam er wegen seiner schlanken Figur öfter zu hören. Lord Maccon war so groß und massig, dass die Leute von seinem Stellvertreter erwarteten, von ähnlicher Statur zu sein. Nur wenige verstanden, wie vorteilhaft es für das Rudel war, dass es jemanden hatte, der stets im Rampenlicht stand, und ebenso jemanden, bei dem das gerade nicht der Fall war. Lyall zog es vor, die Unwissenden nicht darüber aufzuklären.
    Also sagte er: »Zu meinem Glück war ich bisher noch nicht dazu gezwungen, meine Rolle auch körperlich ausfüllen zu müssen. Nur wenige fordern Lord Maccon heraus, und

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