Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gluehende Dunkelheit

Gluehende Dunkelheit

Titel: Gluehende Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Carriger
Vom Netzwerk:
war typisch britisch. »Meinen Glückwunsch zur erfolgreichen Metamorphose! Möge er in die Geschichte eingehen.«
    Traurig schüttelte der Amerikaner den Kopf. »Hier wird es, wie ich aus Ihrer Bemerkung schließen darf, allgemein als etwas Gutes erachtet. In diesem Land, meine ich.«
    »Unsterblichkeit ist und bleibt Unsterblichkeit.« Alexia wollte nicht gefühllos wirken, aber so war es nun einmal.
    »Nicht, wenn es auf Kosten der Seele geht.«
    »Ihre Familie hängt also noch dem alten Glauben an?« Alexia war überrascht. Schließlich war Mr MacDougall ein Wissenschaftler. Wissenschaftler neigten üblicherweise nicht zur übermäßigen Religiosität.
    Der Wissenschaftler nickte. »Puritaner durch und durch. Nicht die kleinste fortschrittliche Faser im Leib. Deshalb bedeutet übernatürlich für sie genau so viel wie untot . John überlebte den Biss, doch sie verstießen und enterbten ihn. Die Familie gab ihm drei Tage Gnadenfrist und jagte ihn dann wie einen tollwütigen Hund davon.«
    Vor Bedauern schüttelte Miss Tarabotti den Kopf. Diese Engstirnigkeit! Sie kannte sich gut in der Geschichte aus. Die Puritaner hatten das elisabethanische England verlassen und sich in der neuen Welt angesiedelt, weil Königin Elizabeth die Übernatürlichen auf den britischen Inseln billigte. Seitdem waren die Kolonien vollkommen rückständig. Die Menschen dort waren religiöse Eiferer hinsichtlich ihres Umgangs mit Vampiren, Werwölfen und Geistern. Das machte Amerika zu einem zutiefst abergläubischen Ort. Nur das Schicksal konnte wissen, was sie von einer wie ihr hielten.
    Verwundert darüber, dass sich ein Mann aus einer derart konservativen Familie entschieden hatte, das Risiko einer Metamorphose zu wagen, fragte sie: »Warum, um alles in der Welt, hat Ihr Bruder sich überhaupt verwandeln lassen?«
    »Es geschah gegen seinen Willen. Ich denke, die Vampirkönigin tat es nur, um etwas zu beweisen. Wir MacDougalls haben uns immer gegen jegliche Neuerung gestemmt, fortschrittsfeindlich bis aufs Letzte, und unseren Einfluss in der Regierung dort geltend gemacht, wo es am meisten zählt.«
    Miss Tarabotti nickte. Aufgrund seines Vermögens hatte sie bereits vermutet, dass seine Familie recht einflussreich war. Sie strich leicht mit der Hand über das feine Leder des Kutschbocks. Ein Wissenschaftler, der keine Förderung nötig hatte. Ein eigenartiger Ort, dieses Land in Übersee, wo Religion und Reichtum die Richtung diktierten und Abstammung und Geschichte so wenig zählten.
    Mr MacDougall fuhr fort. »Ich vermute, die Vampire glaubten, den Ältesten zu verwandeln würde uns MacDougalls dazu bringen, anders zu denken.«
    »Tat es das?«
    »Nur bei mir. Ich liebte meinen älteren Bruder, verstehen Sie? Ich sah ihn einmal, nachdem er verwandelt worden war. Er war immer noch derselbe: stärker, blasser, ein Geschöpf der Nacht, das ja, aber im Wesentlichen derselbe. Vermutlich hätte er immer noch konservativ gewählt, hätte man ihm ein Wahlrecht zugestanden.« Er lächelte schwach, dann verfiel seine Miene wieder zurück in runde, puddinghafte Ausdruckslosigkeit. »Also wechselte ich vom Bankenwesen in die Biologie und studiere seitdem das Übernatürliche.«
    Betrübt schüttelte Miss Tarabotti den Kopf. Nachdenklich betrachtete sie den sonnigen Tag, das bezaubernde Grün des Hydepark, die leuchtenden Hüte und Kleider der Damen, die Arm in Arm über den Rasen flanierten, die beiden Luftschiffe, die behäbig über ihren Köpfen dahinglitten. »BUR würde ein solches Verhalten von einem Vampir niemals dulden. Ich meine, ohne Genehmigung jemanden zu beißen. Ganz zu schweigen davon, dass eine Vampirkönigin jemanden gegen seinen Willen zur Metamorphose zwingt. Was für ein schockierendes Treiben.«
    Mr MacDougall seufzte. »Ihre Welt unterscheidet sich sehr von der meinigen, meine liebe Miss Tarabotti. Mein Land liegt immer noch im Krieg mit sich selbst. Dass sich die Vampire auf die Seite der Konföderierten gestellt haben, will man ihnen nicht verzeihen.«
    Alexia wollte ihren neuen Freund nicht beleidigen, deshalb sah sie davon ab, seine Regierung zu kritisieren. Doch was erwarteten die Amerikaner denn auch, wenn sie sich weigerten, die Übernatürlichen in ihre Gesellschaft zu integrieren? Wenn sie Vampire und Werwölfe dazu zwangen, sich zu verstecken und in einer Welt umherzuschleichen, die ein schäbiger Abklatsch von Europas finsterem Mittelalter war?
    »Haben Sie die puritanischen Grundsätze Ihrer Familie abgelegt?«

Weitere Kostenlose Bücher