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Gluehende Dunkelheit

Gluehende Dunkelheit

Titel: Gluehende Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gail Carriger
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Fragend sah Miss Tarabotti ihren Begleiter an. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie das Aufleuchten eines beigefarbenen Trenchcoats. Es musste Professor Lyall schwerfallen, sich in der prallen Sonne aufzuhalten, insbesondere so kurz vor Vollmond. Einen Augenblick lang empfand sie Mitleid mit ihm, doch sie war erfreut darüber, dass er es war, der die Nachtwache abgelöst hatte. Das bedeutete, dass Lord Maccon immer noch an sie dachte.
    Natürlich dachte er an sie als ein Problem. Doch das war besser, als hätte er überhaupt nicht an sie gedacht. Oder etwa nicht? Sachte berührte Alexia ihre Lippen und verbot sich alle weiteren Grübeleien über den Gemütszustand des Earl of Woolsey.
    Mr MacDougall beantwortete ihre Frage. »Sie meinen, ob ich den Glauben abgelegt habe, dass die Übernatürlichen ihre Seelen dem Satan verkauft haben?«
    Miss Tarabotti nickte.
    »Ja. Aber nicht notwendigerweise wegen des Unglücks, das meinem Bruder widerfuhr. Diese Vorstellung war mir niemals wissenschaftlich genug. Meine Eltern wussten nicht, welches Risiko sie eingingen, indem sie mich nach Oxford schickten. Wissen Sie, dass ich einige Zeit in diesem Land studiert habe? Einige der Professoren sind Vampire. Schließlich habe ich die Denkweise der Royal Society übernommen, dass sich die Seele als eine messbare Einheit gestaltet. Manche Individuen haben weniger von dieser Seelenmaterie, andere mehr. Und diejenigen, die mehr haben, können in Unsterbliche verwandelt werden, und jene, die weniger haben, können das nicht. Folglich ist es nicht das Fehlen von Seele, sondern ein Übermaß davon, was die Puritaner fürchteten. Und ebendieses Konzept gilt in meiner Familie als Ketzerei.«
    Alexia stimmte mit ihm überein. Sie hielt sich auf dem Laufenden, was die Publikationen der Royal Society betraf. Von Außernatürlichen und den wahrhaft Seelenlosen war darin allerdings nicht viel zu finden. BUR gab sein Wissen über diese spezielle Thematik nicht an die Tageslicht-Wissenschaftler weiter und ließ sie in dieser Hinsicht blindlings herumtappen. Aber Miss Tarabotti war sich sicher, dass es in diesem aufgeklärten Zeitalter nur noch eine Frage der Zeit war, bis ihre Art genauer analysiert und seziert wurde.
    »Und seitdem suchen Sie nach einer Möglichkeit, die Seele zu messen?« Beiläufig sah sie nach ihrem übernatürlichen Schatten. Professor Lyall folgte ihnen in mehreren Metern Abstand und hob jedes Mal grüßend den Hut, wenn ihm eine Dame entgegenkam: ein ganz gewöhnlicher Gentleman der Mittelschicht, der ihre Kutsche nicht weiter zu beachten schien. Doch Alexia wusste, dass er sie die ganze Zeit beobachtete. Professor Lyall war sich seiner Pflicht bewusst.
    Mr MacDougall nickte. »Würden Sie denn nicht auch gerne mehr darüber wissen? Ganz besonders als Frau? Ich meine, bei Damen ist das Risiko größer, die Metamorphose nicht zu überleben.«
    Miss Tarabotti lächelte. »Vielen Dank, Sir, ich weiß genau, wie viel Seele ich habe. Dazu brauche ich keinen Wissenschaftler, der mir das sagt.«
    Mr MacDougall lachte, da er ihre Antwort für einen Scherz hielt.
    Eine Schar junger Dandys kam an ihnen vorbei. Sie waren alle nach der neuesten Mode gekleidet: dreiknöpfiger Schwalbenschwanzfrack anstelle des Gehrocks, geknotete Seidenhalsbinde und hoher Kragen. Alexia war sich sicher, dass ihr einige von ihnen von irgendwoher bekannt waren, doch sie erinnerte sich nicht an ihre Namen. Sie hoben grüßend den Hut. Ein hoch gewachsenes Exemplar in blaubeerfarbenen Satin-Breeches verlangsamte seinen Schritt, um Mr MacDougall mit unerklärlichem Interesse zu mustern, bevor er von seiner Kohorte mitgerissen wurde. Etwas abseits nahm Professor Lyall ihre Possen interessiert zur Kenntnis.
    Alexia warf ihrem Begleiter einen Blick zu. »Falls Sie Erfolg damit haben sollten, Seelen zu messen, Mr MacDougall, besorgt es Sie nicht, dass man ein solches Wissen missbrauchen könnte?«
    »Von Wissenschaftlern?«
    »Von Wissenschaftlern, Vampiren, Werwölfen, Regierungen. Es ist ihre geringe Anzahl, die die Übernatürlichen in Zaum hält. Wenn sie schon von vornherein wüssten, wen sie rekrutieren müssen, könnten sie mehr Frauen verwandeln und ihre Anzahl drastisch steigern, und das würde das Gefüge unserer Gesellschaft radikal verändern.«
    »Und doch gibt uns normalen Leuten die Tatsache, dass sie uns brauchen, um sich zu vermehren, einen kleinen Vorteil«, wandte er ein.
    Auf einmal kam es Miss Tarabotti in den Sinn, dass Vampirstöcke und

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