Glühende Leidenschaft
Weg durch die Stadt ausgepeitscht zu werden. Halbnackt herumgeschleift und gepeitscht zu werden, bis man blutete. Aber einer Gräfin würde man so etwas natürlich nicht antun.
Oder doch?
Für einen Mord würde man sie ohnehin hängen.
Aber das konnte der Graf sicher verhindern.
Deportation?
Sie hatte keine Ahnung, über welche Macht der Adel in Bezug auf derlei Dinge verfügte.
Aber sie hatte es nicht getan!
Vor lauter Panik vergaß sie das immer wieder. Sie hatte es nicht getan. Jemand anderer hatte Sir Arthur ermordet. Wer? Weshalb?
Die kleine Sophie?
Aber nein. Wenn es stimmte, was die Leute sagten, dann war sie ja auch umgekommen. Das arme Kind.
Die Haushälterin?
Vielleicht. Aber warum?
Sie waren am Hintereingang des Hotels angelangt; einer der Männer klopfte. Ein Bediensteter öffnete.
»Lebensmittel, bei Samuel Culler bestellt.«
»Ihr seid spät dran.«
»Wir sind spät vom Land hereingekommen.«
»Na egal, ladet die Sachen in dem Schuppen da drüben ab.« Der Mann schlug die Tür zu.
Frustriert blickte Meg auf den Holzverschlag, den die Männer gerade öffneten. Dann nahm sie sich einfach ein Säckchen Rosenkohl und ging steifbeinig durch die Tür in das Gebäude hinein.
Sie hatte erwartet, in eine Küche zu gelangen, doch sie befand sich in einem dunklen, verlassenen Korridor. Ein Stück weiter vorn war eine halboffene Tür, die wahrscheinlich in eine Küche führte, jedenfalls hörte es sich so an, und es roch auch danach.
Ohne nachzudenken, zog sie die verschmutzte Jacke aus, warf sie zusammen mit dem Rosenkohl in eine Ecke, schritt dann kühn an der Tür vorüber und eine schmale Treppe hinauf. Niemand hielt sie auf.
Oben angekommen blieb sie vor einer mit Stoff bespannten Tür stehen, holte tief Luft und machte so gut es ging ihr Haar zurecht. Jetzt, in ihrem adretten dunklen Kleid, hielt man sie vielleicht für einen Gast, oder zumindest für die Dienerin eines solchen. Das bedeutete natürlich, dass sie im Hotel selbst sicherer war als in den Personalquartieren. Aber trotzdem wollte sie die Öffentlichkeit lieber meiden.
Stattdessen ging sie die schmale Treppe weiter nach oben zu einer Etage, auf der sie Gästezimmer vermutete.
Als sie einmal mit den Ramillys verreiste, hatten sie in einem Hotel gewohnt; Meg hatte jedoch keine Ahnung, ob alle Hotels gleich waren. Damals waren im Erdgeschoss Speise- und Empfangsräume gewesen und darüber eine Art Salon, wo die Gäste sitzen und Tee oder Erfrischungen zu sich nehmen konnten. Im restlichen Gebäude hatten sich Gästezimmer befunden, einige davon waren Privatsuiten mit Speisezimmern gewesen, die anderen nur Schlafzimmer.
Sicher hatte die Herzoginwitwe von Daingerfield eine Suite, aber das half ihr noch lange nicht, diese auch zu finden. Wenn sie sich hier herumdrückte, würde sie sie allerdings nie finden. Meg straffte die Schultern, drehte den Türknopf und schritt tapfer in den für die Gäste bestimmten Teil des Gebäudes.
Ein weißhaariger Gentleman passierte sie flotten Schrittes, den Hut lässig aufgesetzt, einen Gehstock schwingend. Meg ging in die entgegengesetzte Richtung und versuchte auszusehen, als sei sie beschäftigt und habe es eilig. Oder als sei sie eine Gouvernante. Das war sie ja einmal gewesen, also sollte ihr das nicht allzu schwerfallen.
Dann kam ein Mann in Hemdsärmeln und mit einer Schürze bekleidet aus einem Zimmer. Das musste ein Hoteldiener sein, er trug auch noch ein Tablett.
»Entschuldigung«, sagte Meg. »Ich glaube, ich habe mich auf dem Weg zu den Räumen meiner Herrin verlaufen. Die Herzoginwitwe von …«
»Ah, die«, sagte er und verzog das Gesicht. »Ich wette, die wartet schon mit kochendem Öl auf dich! Du bist auf der falschen Etage, meine Hübsche! Weiß auch nicht, wie du hier heraufgekommen bist.«
»Oh.«
Aber er war bereits auf die Treppe zugeeilt, die sie benutzt hatte. Natürlich, die invalide Herzogin würde im Erdgeschoss logieren, falls es dort Gästezimmer gab.
Meg schwankte, ob sie wieder die Bedienstetentreppe oder das große Treppenhaus benutzen sollte, und entschied sich dann für Letzteres.
Da gehöre ich hin, sagte sie sich, während sie auf die breite, mit einem Läufer belegte Treppe zuging. Ich bin die Gouvernante einiger Kinder, die hier wohnen, und befinde mich auf einem Besorgungsgang. Ich sehe nicht aus wie jemand, der sich auf der Flucht vor dem Gesetz befindet.
Sie schritt die Treppe hinab, ohne von einem eleganten Paar Notiz zu nehmen, das über
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