Glühende Leidenschaft
»Es tut mir leid, Euer Gnaden.«
»Ich habe nie ein Haus allein verlassen«, erklärte die alte Dame. »Seit ich die Herzogin von Daingerfield bin, war ich nicht mehr zu Fuß auf einer öffentlichen Straße unterwegs. Ich würde an Ihrer Stelle immer einen Wagen nehmen, junge Lady, und sei es auch nur, um über die Straße zu kommen!«
»Aber ich bin keine Herzogin, Euer Gnaden.« Meg fügte ein stummes »Gott sei Dank« hinzu.
»Sie sind eine Gräfin. Lernen Sie, sich entsprechend zu benehmen. Wohin soll das führen, wenn sich die Leute nicht ihrem Stand gemäß benehmen?«
Meg sah, dass sie es vollkommen ernst meinte. Ein gefährliches Lachen wollte aus ihr herausbrechen.
»Nun?«, fragte die Herzogin fordernd.
»Ich weiß es wirklich nicht, Euer Gnaden.«
Zu spät bemerkte Meg, dass sie ihr zurückgehaltenes Lachen nicht ganz verbergen konnte. Die Herzogin kniff das ganze Gesicht zusammen.
»Sie haben nicht die Absicht, sich Ihrem neuen Status anzupassen, habe ich recht?«
»Ich werde versuchen, eine gute Ehefrau zu sein …«
»Das ist nicht dasselbe. Ich habe Daphne beigebracht, die Rolle der Gräfin angemessen zu erfüllen. Daphne!«
Die Tür in ein angrenzendes Zimmer öffnete sich, und Lady Daphne Grigg lugte herein. »Herzogin …?« Beim Anblick von Meg verstummte sie.
»Komm her. Erinnerst du dich an Saxonhursts Braut?«
Feuerröte überzog Daphnes blasse Wangen, doch sie machte einen Knicks. »Gräfin.«
»Das kannst du dir sparen«, erklärte die Herzogin mit verächtlich geschürzten Lippen. »Sie hat es nicht sehr mit Manieren, nicht wahr, Mädchen?«
Meg erkannte, dass die Situation auf Konfrontation hinauslief, und setzte sich gerade. »Das würde ich nicht sagen, Euer Gnaden.«
»Was würden Sie denn sagen?«
»Dass gute Manieren wenig mit Stand zu tun haben.«
»Idiotie. Aber ich denke, das spielt jetzt keine Rolle. In der Fleet Street, oder wo immer sie Mörderinnen hinschicken, bevor sie gehängt werden, legen sie darauf sicher auch keinen großen Wert.«
Daphne rang nach Atem; sie bedeckte die flache Brust mit einer bleichen Hand. Der Hand mit dem Smaragdring, den sie als ihren Verlobungsring bezeichnet hatte. »Mörder …?«
»Man glaubt, dass sie einen Mord begangen hat.« Bei der Herzogin klang diese Anklage wie der Gipfel schlechten Benehmens.
»Nicht … nicht Saxonhurst! «
»Dummkopf! Und setz dich hin, ehe du am Ende noch in Ohnmacht fällst.«
Wie eine Stoffpuppe sank Daphne auf einen Lehnstuhl. Meg fragte sich, ob man tatsächlich beschließen könne, in Ohnmacht zu fallen, und ob sie sich nach Riechsalz umsehen sollte.
»Hör dir diese Geschichte an, Daphne.« Irgendwie schien sich die Herzogin auf ihre sauertöpfische Art und Weise zu freuen. »Saxonhursts neue Braut wollte einen alten Freund besuchen – einen männlichen alten Freund –, ohne eine Eskorte oder Anstandsdame, und auch noch zu Fuß. Kurz nach ihrem Besuch wurde der Mann tot aufgefunden, und man kam zu dem Schluss, sie habe die Tat begangen. Wie«, wandte sie sich eifernd an Meg, »kommen die Leute eigentlich auf einen derart unwahrscheinlichen Gedanken?«
Meg wusste, dass ihre Wangen vor Schuldbewusstsein feuerrot waren, doch in ihrem Inneren fühlte sie sich eisig kalt. Diese Geschichte klang so schäbig und gemein. Wenn sie dem Galgen überhaupt entkam, würde ihr Ruf zeitlebens ruiniert sein.
»Nun?«, fragte die Herzogin fordernd.
»Ich nehme an, weil ich die letzte Person war, die Sir Arthur gesehen hat.«
»Wenn Sie die letzte Person waren, dann haben Sie ihn getötet.«
»Die letzte Person, von der man weiß, dass sie ihn gesehen hat.«
»Und als Sie ihn verließen, war er noch gesund und munter?«
»Sehr sogar.« Meg hoffte, jegliche Spur einer Grimasse unterdrückt zu haben.
»Aber er kann ja wohl kaum in der Zeit ermordet worden sein, die nötig war, um Sie aus dem Haus zu geleiten, oder?«
Meg seufzte. »Ich habe Ihnen die Geschichte nicht ganz vollständig erzählt, Euer Gnaden.«
»Das ist offensichtlich. Man kann von mir aber kaum erwarten, einer Lügnerin zu helfen.«
»Zu helfen!«, kreischte Daphne. »Aber Sie sagten …«
»Ich sagte, ich halte nichts von Saxonhursts Braut. Ich will allerdings niemanden in Tyburn hängen sehen, der in irgendeiner Weise mit der Familie in Verbindung steht. Nun?«, fragte sie Meg. »Sind Sie jetzt bereit, mir die Wahrheit zu erzählen? War dieser Mann Ihr Liebhaber?«
»Nein! Er war ungefähr so alt wie mein Vater.«
»Was hat
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