Glühende Leidenschaft
und leicht so etwas gehen kann. Aber Hattie wird sowieso niemanden wissen lassen, was wir vorhaben, nicht wahr? Die wird sogar sagen, sie habe Schreie gehört, noch bevor die Gräfin das Haus verließ. Früher oder später glauben die Leute, was sie glauben sollen, Herzogin, vor allem, wenn es ihnen in den Kram passt.«
»Manche wenigstens.« Auf ihren abscheulichen, eigensinnigen Enkel traf das leider nicht zu. Nie hätte sie sich vorstellen können, dass so ein bleiches, trauriges Kind so hart kämpfen, so eisern Widerstand leisten würde.
Er war wie sie.
Ab und zu dämmerte ihr in letzter Zeit, in jenen schlaflosen Nächten, die alles zu sein schienen, was ihr geblieben war, dass sie irgendwo wohl einen falschen Schritt getan hatte.
Sie schob alle Schwäche beiseite. »Also, wo ist sie?«, fragte sie in befehlendem Ton. »Das alles wird mir nichts nützen, wenn sie nicht gefunden wird und am Galgen endet! Sie hat auch noch Familie, nicht wahr?«
»Zwei Schwestern, zwei Brüder.«
»Wie alt?«
»Ein Bruder und eine Schwester sind noch klein. Die andere Schwester ist ungefähr sechzehn. Ein hübsches Ding. Hattie meinte, der alte Sir Arthur habe ein Auge auf die Kleine gehabt. Elender Lüstling. Der Bruder ist ein wenig älter. Geht jeden Tag zu einem Privatlehrer.«
»Vielleicht wissen diese Kinder, wo sie ist.«
»Vielleicht, aber sie werden’s uns kaum sagen, nicht wahr?«
»Dafür gibt es Mittel und Wege.« Sie blickte zornig zu Stafford auf. »Keine direkten Drohungen. Drohen Sie ihnen mit etwas, das sie lieben. Was wäre das zum Beispiel?«
»Wahrscheinlich ihre Schwester. Hören Sie, Herzogin, Sie müssen Geduld haben. Wir kriegen die Geschwister jetzt nicht so schnell zu fassen. Sie werden zur Zeit nirgendwo hingehen, ohne eine Armee von Bediensteten dabeizuhaben …«
»Ich habe keine Zeit, geduldig zu sein. Ich will es jetzt!«
Als sie bemerkte, wie kindisch sie klang, behielt sie ihre weiteren Worte für sich. Sie hatte andere alte Leute erlebt, die so quengelig wurden wie kleine Kinder. Das würde ihr nicht passieren. Auf keinen Fall. Sie war die Herzoginwitwe von Daingerfield. Sie hatte ihren Willen ihr Leben lang durchgesetzt. Fast ihr ganzes Leben lang …
Sie musste ihn auch jetzt durchsetzen!
Sie hätte nicht diese fünf Jahre lang warten sollen, aber sie hatte sein Versprechen gehabt und deshalb geglaubt, sie würde am Ende obsiegen. Süßer Erfolg, erzielt durch seine sorglose Vergesslichkeit …
Sie hätte auch das andere Mal nicht zehn Jahre lang warten, sondern sofort handeln sollen. Aber sie hatte gehofft. Sie hatte gehofft, ihre Tochter würde ihre Dummheit selbst einsehen.
Diese verfluchten Torrances mit ihrem Charme. Verhext hatte er sie. Ihr die Tochter gestohlen. Er hatte den Tod verdient. Aber nicht …
»Suchen Sie nach ihr«, befahl sie. »Töten Sie sie.« Dieses Mal würde sie nicht abwarten. Sie war alt, ein panischer Drang hämmerte in ihr wie der Schlag einer Trommel. »Haben Sie gehört?« Wieso starrte er sie so an? Er war ein Nichts. Nichts als ein geheuerter Schläger, den sie benötigt und benutzt hatte.
»Sie sind eine alte Frau, Herzogin. Vielleicht ist Ihre Herrschaft beendet.«
»Wie können Sie es wagen!« Wieder züngelten die Flammen in ihr hoch. Zorn. Gefährlicher Zorn. »Sie sind Abschaum, Stafford. Ein Galgenvogel!«
»Heißt das, ich soll gehen? Und der Welt über unsere lange Verbindung berichten …«
»Das würden Sie niemals wagen!«
Er grinste. »Nein? Die Wahrheit ist, Herzogin, Sie sind am Ende, und ein Mann muss sich um seine Zukunft kümmern. Ich denke, dass mir die kleine Gräfin von Saxonhurst vielleicht eine bessere Zukunft bieten kann. Deshalb werde ich sie suchen. Aber ob ich sie umbringe oder nicht, das kommt ganz darauf an.«
»Sie können gehen!«, schnauzte sie ihn an. »Ich bringe Sie an den Galgen! Ich bin die Herzogin von Daingerfield, verflucht sei Ihre schwarze Seele …« Was war das für ein höhnisches Drohen in seinem Blick? Was staute sich in ihr auf? Hastig tastete sie nach ihrer goldenen Glocke.
Er schaffte sie unauffällig außerhalb der Reichweite der Herzogin.
20
Die Zwillinge schliefen schon, aber Laura und Jeremy waren noch auf und warteten verzweifelt auf eine Nachricht von Meg. Laura schaute zu ihrem Bruder hinüber, der ein Buch las, und wünschte, sie könne sich genug konzentrieren, um sich ebenso wie er in etwas zu vertiefen. Stattdessen spielte sie Kasino mit Lady Daphne.
Schweigend.
Lady
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