Glühende Leidenschaft
Daphne war zumindest jemand, der wusste, wann alles, was es zu sagen gab, gesagt war. Zuvor war sie allerdings gesprächiger gewesen, und sie tat Laura wirklich leid. Daphne war zwar zu höflich, um viel über ihre persönlichen Angelegenheiten zu sprechen, aber es war dennoch klar, dass ihr häusliches Leben alles andere als angenehm und die Herzogin ein Tyrann war. Und zudem, dass Daphne ein zutiefst unglücklicher Mensch war und keine Vorstellung davon hatte, wie sie ihr Lebensmuster durchbrechen konnte.
Laura spielte ihre letzte Karte aus, sammelte die auf dem Tisch liegenden ein und rechnete ihre Punkte zusammen. Während Daphne mischte und die Karten neu verteilte, fragte sich Laura, ob man für Sax’ Cousine irgendetwas tun konnte. Sie war dünn und blass, würde aber vielleicht ein wenig zunehmen, wenn sie weniger bedrängt wurde. Ihre Haut war makellos, die Gesichtszüge ebenmäßig, und mit ihrem hellblonden Haar konnte man ihr sicher eine hübsche Frisur machen.
Sie spielte eine Karte aus. Früher, vor dem Tod ihrer Eltern, war das Haus der Gillinghams ein heilsamer Ort gewesen. Die Leute hatten sich dort wohlgefühlt, und viele hatten Trost und Freude gefunden. Vielleicht konnten die restlichen Gillinghams denselben Zauber für Daphne bewirken.
Und für Saxonhurst. Laura verehrte ihren Schwager, aber sie glaubte nicht, dass er wirklich glücklich war. Das wurde doch schon durch diese seltsame Gewohnheit deutlich, in seinem Zimmer Dinge an der Wand zu zerschmettern. Sie kannte inzwischen die ganze Geschichte von den Bediensteten, die das allerdings lediglich für eine amüsante Laune hielten.
Laura fand es nicht amüsant.
Es beunruhigte sie. Man musste etwas dagegen unternehmen.
Aber erst einmal musste Meg gesund und unversehrt nach Hause kommen, und diese grässliche Sache mit Sir Arthur musste aus der Welt geschafft werden. Sie warf einen Blick auf die Uhr am Kaminsims. Fast zehn, und noch immer keine Nachricht.
Die Tür öffnete sich, und sie blickten alle auf. Es war nur Pringle, aber er trug sein schweres Silbertablett mit einer Nachricht darauf. Brak folgte ihm und ging winselnd zu Jeremy.
»Was hat er denn?«, fragte Jeremy.
Der Butler zuckte lediglich die Achseln. »Das Tier ist häufig bedrückt, wenn Seine Lordschaft einmal länger ausbleibt.« Er präsentierte das Tablett Lady Daphne.
»Für mich?« Sie ließ ihre Karten fallen, einige landeten auf dem Boden, und ergriff das versiegelte Schreiben.
»Von Schwager Sax?«, fragte Laura, doch dann wurde ihr sofort klar, dass er Daphne keine Nachricht schicken würde.
Daphne studierte das gefaltete Papier. »Es ist kein Absender darauf. Woher kommt das, Pringle?«
»Vom Hotel Quiller’s, Mylady.«
Daphne ließ den Brief fallen, als sei er brennend heiß. »Das lese ich nicht!«
Laura hob ihn auf und reichte ihn ihr. »Daphne! Es könnte wichtig sein.«
»Das ist von der Herzogin, ich weiß es.«
»Selbst wenn, hier kann sie dir nichts anhaben. Öffne ihn. Was, wenn etwas über Meg drinsteht?«
Jeremy hatte sich zu ihnen gesellt. Er nahm Laura den Brief ab und hielt ihn Daphne auffordernd hin. Laura war von dieser Kostprobe männlicher Autorität ihres gelehrten Bruders überrascht und beeindruckt. Und Daphne reagierte. Ihre Lippen zitterten zwar, doch sie erbrach das Siegel und las. Und dann legte sie erschreckt die Hand auf den Mund.
»Was ist?« Laura kreischte beinahe; sie musste sich beherrschen, den Brief nicht an sich zu reißen.
»Die Herzogin«, flüsterte Daphne. »Sie … sie stirbt!«
»Was?« Daphne beendete Lauras Dilemma, indem sie den Brief Jeremy gab, der ihn als guter Bruder so hielt, dass sie ihn beide lesen konnten.
Er war unterschrieben mit »Waterman«.
»Wer ist Waterman?«, fragte Laura.
Daphne betupfte sich mit einem Tüchlein die Augen. »Die Kammerzofe der Herzogin.«
»Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen«, las Jeremy laut, »dass Ihre Gnaden, geplagt und bedrängt von Besorgnis und pflichtvergessenem Benehmen, wieder einen Anfall erlitten hat, dieses Mal einen äußerst schweren. Der Arzt ist bei ihr, doch es besteht wenig Hoffnung. Ihre Gnaden ist nur schwer in der Lage, zu sprechen, konnte jedoch erklären, dass sie ihre Familie, auch wenn sich diese als undankbar gezeigt hat, in ihren letzten Stunden gerne um sich hätte. Der Herzog und seine Familie werden bereits benachrichtigt. Es ist ihr sehnlichster Wunsch, dass ihre beiden Enkel, die momentan in London weilen, ihre Grausamkeit
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