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Glühende Lust

Glühende Lust

Titel: Glühende Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Simon
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Nanacht stapfte in den Raum. »So, ist er jetzt versorgt, ja?«, rief sie, ohne die Stimme zu senken. Die Schöpfkelle, mit der sie ihre Worte unterstrich, zog Kreise in der Luft. »Dann kann er ja wieder gehen! Eine Nacht in meinem Haus für diesen Kerl muss genug sein, oder glaubst du, ich lasse es länger zu, dass du an ihn mein gutes Bier vergeudest? Seit du und deine Freundin hier seid, herrscht nur Durcheinander und ich habe zusätzliche Kosten.«
    Merit schnappte nach Luft. Welch eine Dreistigkeit!
    »Und nicht nur das«, ereiferte sich Nanacht. »Du hast ihn auch noch rasiert. Mit meinem Rasierzeug!«
    »Wer ist diese kreischende Wachtel?«
    Merit fuhr herum. Der Assyrer hatte sich wieder auf den Ellbogen gehoben und nickte in Nanachts Richtung, ohne sie eines Blickes zu würdigen. »Er verschwindet auf der Stelle!«, schrie Nanacht und stampfte hinaus.
    » Du hast sie so wütend gemacht?« Zwinkerte er, lächelte er gar? Merit mochte sich täuschen. »Du, so eine kleine harmlose Göttin? Sie dagegen kommt mir vor wie Ereschkigal, die das ganze Totenreich zusammenschreit. Warum hilfst du mir?«
    »Weil es Maat ist«, antwortete sie lahm.
    »Maat, euer seltsamer Gerechtigkeitsbegriff. Ich gehörte zu denen, die deine Stadt erobert haben. Aus der Sicht eines Ägypters wäre es wohl gerecht, mich sterben zu lassen.«
    »Hätte ich dabei wirklich zusehen sollen?«
    »Wie heißt du?«
    »Merit-Sobek.«
    »Du bist viel zu hübsch für so einen hässlichen Schutzgott. Unter dem Stern der lieblichen Isis hättest du geboren sein sollen.«
    Offenbar wusste er einiges über Ägypten, und die Sprache beherrschte er fast ohne Akzent. Wo hatte er das gelernt und wozu? Er war doch nur irgendein Krieger; zum Rauben und Plündern war solches Wissen gewiss nicht nötig. Er schien noch etwas sagen zu wollen, aber der Schlaf übermannte ihn erneut. Merit trat näher, und als sie sicher war, dass er nicht wieder etwas Überraschendes tun oder sagen würde, nahm sie einen Zipfel der dünnen Wolldecke und tupfte ihm denSchweiß von den Schläfen. Wenngleich er krank aussah, gefiel es ihr, wenn ihre Fingerspitzen seine Haut berührten. Trotz der Hitze spürte sie einen wohligen Schauer.
    Zurück im Schankraum, wandte sie sich an Nanacht. »Er braucht einen Arzt.«
    Die Wirtin hob nicht den Blick von ihrem Braubottich. »Mir scheint, du hast nicht begriffen, was hier los ist. Wir liegen im Krieg mit den Assyrern.«
    »Hast du daran auch gedacht, als du Freude an dem empfunden hast, was sie mit dir taten?« Nanachts Augen wurden schmal, und Merit fuhr eilig fort: »Wenn hier jemand begriffen hat, was der Krieg einem antun kann, dann Tani und ich. Außerdem gibt es doch gar keinen Krieg mehr, wir sind assyrische Provinz.«
    Nanacht prustete. »Für ein behütetes Töchterlein, dem noch die Schalen hinter den Ohren kleben, redest du recht naseweis.«
    »Er fiebert.«
    »Bin ich denn verrückt und bezahle für den einen Arzt?«
    Merit lief zu ihrer Schlafstätte auf dem Dach und kehrte mit Sitankhs Goldkette zurück. »Ich bezahle ihn. Ein Plättchen davon genügt für drei Ärzte.«
    »Woher …« Nanacht wischte sich die Hände an den Seiten ab und schien zugreifen zu wollen, aber sie beherrschte sich. »Also gut! Sobald es ihm bessergeht, verschwindet er aber! Soll ich den Schmuck für dich aufbewahren?«
    Merit schüttelte den Kopf und rannte zurück aufs Dach, wo sie ihn wieder in einem der Topfstapel versteckte. Vielleicht würde das Wissen um sein Vorhandensein die Wirtin gefälliger machen. »Wenn ichnur wenigstens wüsste, weshalb ich das alles tue.« Sie war sich selbst ein Rätsel. Als sie sich an den Dachrand hockte und zuschaute, wie ihre Landsleute sich wieder an irgendein Leben zu gewöhnen suchten, konnte sie das Bild des Mannes, dessen Namen sie noch gar nicht kannte, nicht vertreiben.

7 . K APITEL
    Jedes Mal, wenn die Nadel sich in das Fleisch bohrte, kniff Merit die Augen zusammen und ballte die Fäuste. Und jedes Mal stöhnte der Assyrer und drückte den Kopf in den Nacken. Der eingeflößte Mohnsaft hielt ihn jedoch im Schlaf fest. Sechsmal … siebenmal … Endlich machte der Arzt einen Knoten und durchtrennte den Schafsdarmfaden. Dann nahm er den bereitgestellten Tontopf und ein weißes Stoffstück zur Hand. »Ein Ukhedu sitzt darin. Und der mag keinen Honig«, er strich einen Löffel auf das Leinen. »Weidenrinde nimmt ihm die Macht über die Schmerzen.« Er streute gemahlene Rinde darüber. »Und

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