Glut der Gefuehle - Roman
»Viel Fleisch ist jedoch auch nicht dran.«
Mit diesem Kommentar überraschte sie ihn – nicht weil sie solche Worte in den Mund nahm, sondern weil sie offenbar annahm, er hätte das gedacht. Stattdessen war ihm das Gegenteil bewusst geworden. Ihre vollen, sinnlichen Lippen legten die Vermutung nahe, ihr ganzer Körper würde hübsche Rundungen aufweisen. Im dezenten Ausschnitt ihres Kleids zeigte sich nur ein schlanker weißer Hals. Aber South wusste weibliche Proportionen zu beurteilen. Auf diesem Gebiet hatte er schon mehrere Wetten gewonnen. Und so glaubte er natürlich, er könne auch Miss Parrs Figur bewerten.
Er gab allerdings keine galante Antwort auf ihre Bemerkung. Sollte sie doch denken, was sie wollte... Allzu
viel Zeit würde er nicht mehr in ihrer Gesellschaft verbringen. Er spürte ihre Ungeduld. Bald würde sie ihn bitten, ihr Haus zu verlassen. Um wieder ein wichtigeres Thema anzuschneiden, erklärte er: »Der Oberst legt immer noch großen Wert auf Ihre Hilfe, Miss Parr. Bisher haben Sie ihn tatkräftig unterstützt.«
»Besonders viel hat er nicht von mir verlangt.«
»Auf keinen Fall möchte er Ihre Sicherheit gefährden.«
»Daran zweifle ich.« Indias Lächeln ließ ihre Augen unberührt. Seufzend stellte sie ihren Weinkelch, den sie nicht geleert hatte, auf das Sideboard. »Was mit mir geschieht, kann ihn nicht besonders interessieren. In gewisser Weise fühlt er sich wohl für mich verantwortlich. Aber das ist überflüssig, er schuldet mir nichts. Für meine Dienste habe ich niemals Gegenleistungen gefordert. Und das will ich auch jetzt nicht ändern.«
South fragte sich, welche Überredungskünste Blackwood angewandt hatte, um sich India Parrs Mitarbeit zu sichern. Wenn die Schauspielerin einen bestimmten Standpunkt vertrat, war sie nicht so leicht davon abzubringen. Zumindest hatte er nach der kurzen Bekanntschaft diesen Eindruck gewonnen. »Also lehnen Sie seinen Schutz ab?«
Nur den Bruchteil einer Sekunde zauderte sie. »Ja. Niemand muss auf mich aufpassen.«
»Beweist Kendalls Ermordung nicht das Gegenteil?«
»Wohl kaum. Vielleicht argwöhnen Sie, sein Tod würde mit seiner Verbindung zum Oberst zusammenhängen. Doch das steht nicht fest. Und nach der derzeitigen Beweislage glaube ich, andere Leute sind viel gefährdeter als ich.«
Um seine Sorge zu verhehlen, verlieh er seiner Stimme einen neutralen Klang. »Welche anderen?«
»Zum Beispiel Sie. Und natürlich der Oberst selbst...« Verwirrt unterbrach sie sich. »Dachten Sie, ich würde noch mehr Kontaktpersonen kennen? Hoffentlich meinen Sie das nicht ernst. Bis zu diesem Abend wusste ich nicht einmal, dass der Oberst Sie zu mir geschickt hat. Ich war mir nicht sicher, ob er überhaupt jemanden beauftragen würde, an mich heranzutreten. So, wie ich die Situation einschätzte, bedeutete Mr Kendalls lange Abwesenheit keineswegs seinen Tod – nur dass der Oberst mich nicht mehr brauchte. Nein, Mylord, ich bin nicht gefährdet – weil ich nur sehr wenige Informationen zu bieten habe.«
»Bis gewisse Leute herausfinden, dass Sie nichts wissen, kann es sehr lange dauern. Verstehen Sie, was ich damit sagen will, Miss Parr?«
Oh ja, überlegte sie, womöglich würde sie sterben, obwohl sie keine Informationen besaß. Verstört sank sie wieder in den Sessel vor dem Kamin und faltete die Hände im Schoß. »Bitte richten Sie dem Oberst aus, ich würde ihm für die Sorge um mein Wohl danken. Aber ich habe nicht darum gebeten. Und ich brauche keinen Schutz. Wenn er mich weiterhin in dieser Weise bedrängt, sollten wir die Zusammenarbeit beenden.«
Southertons Miene verriet nicht, was er dachte. Am besten sollte Blackwood seine Geschäfte mit Frauen selbst abwickeln... »Steht Ihr Entschluss fest?«
»Ja.«
»Gut, ich werde ihm Ihre Wünsche mitteilen.«
»Nicht nur das|... Sie müssen ihn überzeugen, Mylord.«
»Dazu müsste ich mich erst selbst überzeugen – und das wird mir nicht gelingen. Was der Oberst vorschlägt, ist gewiss keine unvernünftige Vorsichtsmaßnahme.«
Indias Lippen verkniffen sich, und ihr Gesicht sah zwar
nicht rebellisch, aber doch unnachgiebig aus. Wortlos schaute sie Southerton an. »Nun, dann gibt es nichts mehr zu besprechen.«
Langsam stand der Viscount auf, dankte ihr für das Dinner und das Vergnügen ihrer Gesellschaft. »Sie brauchen mich nicht hinausbegleiten, ich finde den Weg allein.«
Trotzdem erhob sie sich und beobachtete, wie er seinen Mantel über den Arm legte, seinen Hut und
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