Glut der Gefuehle - Roman
die Handschuhe ergriff. Als Southerton die Messingklinke umfasste, spürte sie einen seltsamen Stich im Herzen, der ihrem Wunsch widersprach, er möge endlich gehen.
Er hielt inne und drehte sich halb um. »Da gibt es jemanden, nicht wahr?«
So viele Antworten waren nötig, so dass sie zunächst schwieg.
»Ja«, sagte sie schließlich, um sich nähere Erklärungen zu ersparen.
Nachdenklich nickte er und öffnete die Tür. »Guten Abend.«
Northam schob die Spielkarten zu ihm hinüber. »Heute warst du nicht im Theater, South.«
Geistesabwesend blickte der Viscount auf. »Seit vierzehn Tagen nicht mehr. Wieso?« Ärgerlich beobachtete er, wie seine Freunde viel sagende Blicke tauschten. Dann lachten sie lauthals. Offenbar amüsierten sie sich auf seine Kosten. Aus den anderen Ecken des Klubs schauten einige Mitglieder herüber. »Was habe ich denn gesagt?«
»Nicht so wichtig«, erwiderte Marchman, »solange du uns so großartig unterhältst.«
»Genau«, bestätigte Eastlyn. »Heute Abend bist du wirklich sehr witzig, South.«
Northams Vergnügen hielt sich in Grenzen, weil South bei diesem Kartenspiel sein Partner war und es um eine ziemlich hohe Summe ging. Wenn der Viscount weiterhin so unaufmerksam spielte, würden sie ein ganzes Pfund verlieren. Erbost klopfte er auf die Karten, die er eingesammelt hatte. »Also, mir ist diese Partie wichtig. Dir offenbar nicht, South.«
Aus schmalen grünen Augen warf Marchman einen Seitenblick in Southertons Richtung. »Keine neuen blauen Flecken, keine Platzwunden. Hast du Miss Parrs Gesellschaft in letzter Zeit gemieden?«
»Zumindest hat er sie nicht gekränkt«, ergänzte Eastlyn grinsend.
South wies mit dem Kinn auf Northam, um ihm zu bedeuten, er möge die Karten verteilen. Auf Wests und Easts Sticheleien ging er nicht ein. In gewisser Weise trafen die Vermutungen der beiden zu. Er hatte India Parr zwar sehr oft gesehen, doch ohne ihr Wissen. Deshalb konnte sie sich gar nicht beleidigt fühlen, und er brauchte keine neuen Faustschläge zu befürchten.
Ungewöhnlich wortkarg, brachte er auch die anderen zum Schweigen. Northam und South verloren wie erwartet die Partie und bezahlten ein Pfund Sterling.
Dann sammelte der Earl die Karten wieder ein und beauftragte einen Lakaien, eine neue Runde Drinks zu servieren.
»Wo ist deine Frau heute Abend?«, fragte Eastlyn. »Wieder in den Klauen der Herzoginwitwe?«
Ungehalten schüttelte North den Kopf. Obwohl er nicht sagen konnte, warum – er hätte es vorgezogen, seine Gemahlin würde sich bei seiner Mutter befinden. »Sie ist zu Lady Battenburn gefahren, weil die Baronin einen Dienstboten mit der Nachricht zu uns geschickt hat, sie
fühle sich nicht wohl. Deshalb beschloss Elizabeth, ihr Gesellschaft zu leisten.«
»Wie schön für dich, dass wir gerade in der Stadt sind und dich von deinem Trennungsschmerz ablenken...«
»Ja, nicht wahr?«, stimmte North ironisch zu. In Wirklichkeit hatte er gehofft, er könnte den Auftrag des Obersts möglichst schnell erledigen und seine Frau noch vor Ende Oktober aufs Land bringen. An allen Fronten blieben ihm Erfolge versagt. Er schaute Southerton an. Nach der Miene des Viscounts zu schließen, wurde auch er vom Schicksal benachteiligt.
Seufzend entschied Marchman, das Thema zu wechseln, das Eastlyn angeschnitten hatte. »Einem Gerücht zufolge hat sich Rutherford zur anderen Seite des Atlantiks abgesetzt.«
»Noch mehr Schulden?«, fragte East.
»Dem Vernehmen nach.«
North hob den Brandy-Schwenker, den der Lakai vor ihn hingestellt hatte, an die Lippen. »Sehr interessant. Zum ersten Mal erfuhr ich auf dem Battenburn-Landsitz von Rutherfords Schulden. South war ebenfalls anwesend, als Madame Fortuna den Gästen diese Neuigkeit mitteilte.«
»Hat sie’s in ihren Karten gelesen?«, fragte Marchman.
Diesmal antwortete der Viscount. »Ich würde die Wahrsagerin niemals verunglimpfen. Aber ich wäre nicht überrascht, wenn ihr die Gastgeber gewisse Informationen zugeflüstert hätten. Vielleicht erinnert ihr euch – am selben Abend beschuldigte Madame unseren North, er sei der Gentleman-Dieb. Und da war klar, dass sie sich irrt.«
Das sah North etwas anders. »Sie sagte, in meinem Besitz würden sich gestohlene Gegenstände befinden. Damit
hatte sie Recht, obwohl ich nicht wusste, wie die Sachen in mein Gepäck geraten waren.«
Eastlyn kostete seinen Brandy. »Wie gern wäre ich dabei gewesen, als Lady Elizabeth dich so energisch, wenn auch unbedacht,
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