Glut der Gefuehle - Roman
weggegangen sein. Hast du bemerkt, wie still es im Haus ist? Vermutlich hat auch Mr Darrow die Flucht ergriffen. Sogar ziemlich überstürzt.«
Als South sich vorstellte, wie sein Kammerdiener davonrannte, musste er lächeln. »Bei meiner Ankunft erweckte
er den Eindruck, er müsste gerettet werden. Wie lange war er ans Bett gefesselt?«
»Seit wir hier eingetroffen sind. Während er das Gepäck ins Haus trug, brach er plötzlich zusammen.« India bemerkte, wie der Viscount die Stirn runzelte. Anscheinend überlegte er, was passiert sein mochte. »Du musst keine Sorge um deinen Kammerdiener heucheln. Immerhin hat er bloß den Kranken gespielt, um deinen Befehl zu befolgen. Bitte, jetzt darfst du nicht das Gegenteil behaupten. Ich bin nicht auf den Kopf gefallen. Neun Tage lang konnte ich mit ansehen, wie er meine Abreise unter allen Umständen zu verhindern versuchte.«
India umwand das Ende ihres Zopfes mit einem schwarzen Ripsband, dann drehte sie sich zu South um. Wie sie voller Genugtuung feststellte, fehlten ihm die Worte.
»In gewisser Weise empfinde ich es als Kompliment für meinen Charakter, dass du dachtest, ich würde in Ambermede bleiben und deinen Kammerdiener pflegen. Nachdem er direkt vor meinen Füßen umgekippt war, verfrachtete ich ihn etwas mühsam in das Zimmer, wo du ihn heute Morgen angetroffen hast. Eigentlich wollte er bis zu deiner Rückkehr auf einer Matratze im Erdgeschoss schlafen. Natürlich war das nicht akzeptabel.«
»Natürlich nicht«, wiederholte South mit schwacher Stimme.
»Für den armen Mann wäre das viel zu unbequem gewesen, wenn man bedenkt, wie lange du durch Abwesenheit geglänzt hast.«
»Da... kam einiges dazwischen.«
»Ja, das dachte ich mir.« Sie stand auf und begann Southertons Kleider aufzuheben. »Nachdem ich deine Grauschimmel versorgt und das restliche Gepäck ins Haus geschleppt
hatte, fand ich einige Lebensmittel in der Küche und bereitete eine leichte Mahlzeit für Mr Darrow und mich vor. Aber er klagte über Magenbeschwerden und wollte nichts zu sich nehmen. Zu meiner Verblüffung ertappte ich ihn mitten in der Nacht, als er ein großes Stück Speck aus der Küche holte. Da sank er zum zweiten Mal wie ein gefällter Baum vor meine Füße. Kurz danach erlangte er das Bewusstsein wieder und versuchte mir allen Ernstes einzureden, er sei im Schlaf gewandelt.«
»Interessant«, murmelte South.
»Nun?« India legte seine Kleidung neben ihn auf das Bett. »Soll ich etwas zu essen für dich vorbereiten?«
Bevor sie sich abwenden konnte, packte er sie am Handgelenk. »Später. Zuerst will ich den Rest dieser sonderbaren Geschichte hören.« Er zog sie näher zu sich heran, so dass sie zwischen seinen gespreizten Schenkeln stand. Langsam drehte er ihre Hand herum und strich mit einem Daumen über die empfindsame Haut an der Innenseite ihrs Arms.
Sofort pochte ihr Herz schneller. »Also|... Mr Darrow |...«
»Er sagte, er sei im Schlaf gewandelt.«
»Ach ja...« Mühsam konzentrierte sie sich. »Da wusste ich, dass er mir etwas vormachte, um mich hier festzuhalten. Ich beschloss, bei der albernen Farce mitzuspielen, und steckte ihn ins Bett. Wann immer er verkündete, er würde sich besser fühlen, schlug ich ihm vor, nach London zurückzufahren.«
»Ich verstehe.« Geistesabwesend liebkoste er ihren Arm. »Ihr habt also neun Tage auf diese Weise verbracht?«
»Zum Glück war Mrs Simon sehr hilfsbereit. Jeden Tag brachte sie dem armen Mr Darrow heilsame Kräutertees.«
»Obwohl ihm nichts fehlte?«
»Trotzdem jammerte er in einem fort.«
Von widerwilliger Bewunderung erfüllt, beobachtete er ihren schelmischen Gesichtsausdruck, und plötzlich brach er in schallendes Gelächter aus. »Wie ich sehe, war Mr Darrow dir nicht gewachsen.« Dann runzelte er die Stirn. »Eins verstehe ich jedoch nicht. Bevor ich dich in Mr Darrows Obhut gab, hatte ich nicht den Eindruck, du würdest deine Flucht planen. Während unserer Fahrt hättest du viel leichter entkommen können.«
»Erst nach der Ankunft im Cottage besann ich mich anders.«
»Warum?«
»Nun ja... dein Kammerdiener erwähnte... die anderen Frauen.«
»Oh, die imposante Parade...«
»... die mich immer noch stört.« Sie wollte sich von seinem Griff befreien, aber er hielt sie eisern fest. »Bitte, lass mich los.«
Da erfüllte er ihren Wunsch. Sie trat zurück und rieb unbewusst ihr Handgelenk.
»Habe ich dir wehgetan?«
»Nein.« Hastig senkte sie die Hände.
»Darf ich dich jetzt bitten,
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