Glut der Versuchung
reckte.
»Was fällt Ihnen ein, hier zu erscheinen? Meine Mutter ist zu krank, um zu empfangen! Bitte gehen Sie sofort.«
Constance schien entsetzt von seiner brüsken Art »Benjamin! «, keuchte sie. »Wie kannst du ... so unhöflich zu unseren Gästen zu sein? «
Als sie erneut zu husten begann, eilte der Junge zum Bett und baute sich zwischen seiner Mutter und den Besuchern auf. Offenbar wollte er sie beschützen, denn er blickte Roslyn und Drew wütend an, die Fäuste geballt. »Ich lasse nicht zu, dass Sie ihr wehtun! «
Seine Kühnheit war eher Angst als Zorn, weshalb Roslyn ihre Erwiderung sanfter gefasst hätte, als es jetzt Drew tat. »Wir haben nicht vor, deiner Mutter etwas zu tun, Junge. Wir sind hier, um über deinen versuchten Diebstahl von Lady Freemantles Eigentum zu reden. «
»Es ist nicht ihr Eigentum«, zischte der Junge erbost. » Die Brosche gehört meiner Mutter! «
»Und deshalb dachtest du, du hättest ein Recht, bewaffnet die Kutsche ihrer Ladyschaft zu überfallen und in ihr Haus einzudringen?«
Constance stieß einen stummen Schrei aus. »Nein, Benjamin ... du würdest doch nie ... so etwas Entsetzliches tun. «
Er drehte sich zu ihr um. »Es tut mir leid, Mama. Ich dachte, wenn du Papas Portrait bekommst, hilft es dir, gesund zu werden.«
Dann wandte er sich wieder an Arden. »Lady Freemantle wird ein kleines Schmuckstück nicht vermissen, wo sie doch jede Menge Diamanten und Smaragde besitzt.« Sein Tonfall war verbittert. »Es ist nicht fair, dass sie so vermögend ist, während meine Mutter und meine Schwestern hungern.«
»Oh, Benjamin ... «, flüsterte seine Mutter verzweifelt. »Ich dachte, ich hätte dich gelehrt, dich nicht an anderer Menschen Besitz zu vergreifen.«
Sogleich klang er wieder sanftmütiger. »Das habe ich nicht, Mama. Die Brosche gehört dir, und ich wollte sie dir bloß zurückholen. «
Drew blieb vollkommen ungerührt. »Du hättest Lady Freemantle und Miss Loring verletzen oder töten können, als du auf sie geschossen hast.«
Constance stöhnte. »Gütiger Himmel, Ben! «
Alle Wut schwand aus dem Gesicht des Jungen, der schuldbewusst den Blick senkte. »Es tut mir sehr leid, Mama. Meine Pistole ging versehentlich los. Ich hätte nie auf sie geschossen, Durchlaucht. Ich wollte nie jemanden verletzen. «
Nun trat ein unangenehmes Schweigen ein, bis Roslyn sagte: »Ich kenne Lady Freemantle als eine recht vernünftige Dame, Benjamin. Warum hast du sie nicht einfach gebeten, die Brosche zurückzugeben? «
Der Junge sah sie an. »Das habe ich nicht gewagt, Miss Loring. Ihre Ladyschaft wusste nicht, dass ihr Ehemann noch eine andere Familie hatte, und ich konnte es ihr nicht sagen. Außerdem war ich sicher, sie wäre empört, sollte ich an sie herantreten, empört genug gewiss, um mich von ihrem Grund und Boden jagen zu lassen. Die Brosche zu stehlen, schien mir der einzig mögliche Weg. «
Obwohl seine Stimme fest klang, zitterte sein Kinn, und Roslyn sah, dass Tränen in seinen Augen glänzten.
»Also gabst du dich als Diener aus und hast dich für die Hochzeitsfeier meiner Schwester einstellen lassen? «, fragte sie.
»Ja ... ich meine, ich gab mich nicht als Diener aus. Ich arbeite für Lord Faulkes. Und die Livr6e ist eine gute Verkleidung für einen Dieb. Die feinen Leute sehen uns Diener nie an. «
Womit er vollkommen Recht hatte, dachte Roslyn, als Benjamin sich wieder an Drew wandte.
Ängstlich fragte er ihn: »W-wollen Sie mich in Arrest nehmen, Durchlaucht?«
Drew blieb sehr ernst. »In Anbetracht deiner schwerkranken Mutter verstehe ich, dass du ihr eine Freude bereiten wolltest. Aber als du die Kutsche ihrer Ladyschaft überfielst, wusstest du da, dass man für Wegelagerei gehängt werden kann? «
Constance schluchzte auf, während Benjamin noch bleicher wurde. »J-ja, Durchlaucht. «
»Denkst du, deine Taten sollten ungestraft bleiben? «, fragte Drew.
Benjamin schluckte. »Nein, Durchlaucht.«
»Wie müsste die Strafe deiner Ansicht nach aussehen? «
Drew wartete mit strenger Miene, doch der Junge blieb stumm.
Nach einer Weile ertappte Roslyn sich dabei, wie sie beunruhigt an ihrer Unterlippe nagte. Der Junge verdiente es gewiss nicht, gehängt zu werden, und ebenso wenig er-trug sie den Gedanken, dass er ins Gefängnis kam, vor allem nicht, weil er der einzige Versorger seiner Mutter und seiner Schwestern war. Genau das aber würde geschehen, falls Winifred ihn wegen Diebstahls anzeigte. Und so wie Benjamin aussah, waren
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