Glut unter der Haut
wiedererlangt hatte und sich nach ihr erkundigte, erfuhr er von einer Krankenschwester, dass eine Frau, auf die Kathleens Beschreibung passte, zwar da gewesen, aber wieder gegangen sei. Er war fast wahnsinnig geworden vor Sorge. Der A rzt hatte ihm eine Beruhigungsspritze geben müssen.
Als er wieder aufgewacht war, hatte ihn seine Hilflosigkeit und Enttäuschung über die bevormundenden Platitüden von Bob und Sally noch verzweifelter werden lassen.
»Bob, ich habe dir doch gesagt, dass sie nicht eine von meinen üblichen Bekanntschaften ist!«, hatte er seinen Bruder angefahren. »Verdammt, sie kann unmöglich gegangen sein, ohne mir eine Nachricht zu hinterlassen. V ielleicht ist sie überfallen, ermordet oder vergewaltigt worden. Hast du daran schon gedacht?« Seine A dern schwollen bedrohlich unter seinen bandagierten Schläfen an, so dass eine Schwester gerufen werden musste, die ihm eine weitere Beruhigungsspritze gab, auch wenn er sich nach Kräften und fluchend dagegen sträubte.
Als er wieder aufwachte, waren Bob und Sally noch immer bei ihm, angespannt, nervös und verängstigt. »Erik, sie hat deine A utoschlüssel mit deinem Namen an der A ufnahme hinterlegt. Ihr ist bestimmt nichts zugestoßen. Sie ist absichtlich und ruhig weggegangen.« Bob schaute hilfesuchend zu seiner Frau, doch Sallys Sorge galt ihrem Schwager, den sie sehr mochte.
»Könnte doch sein … na ja …«, stammelte er, »vielleicht hast du ihre … äh … Gefühle für dich falsch verstanden.«
»Raus mit euch. Fahrt nach Hause, irgendwohin, aber lasst mich allein«, murmelte Erik, wandte sich von ihnen ab und starrte mit leerem Blick aus dem Fenster.
Er erholte sich, wenn ihm sein eigener Gesundheitszustand auch einerlei war. Er triezte die Krankenschwestern und verfluchte die Ärzte, aber er erholte sich. Der rasende Kopfschmerz ließ mit jedem T ag mehr nach, bis er ihn irgendwann gar nicht mehr spürte.
Bob und Sally verließen das Krankenhaus, als sein Zustand nicht mehr bedenklich war, kehrten aber noch einmal zurück und fuhren ihn nach St. Louis. Sie wechselten sich am Steuer des Blazer ab, während Erik auf dem Rücksitz saß, dumpf vor sich hin brütend und schmollend.
Während der W ochen im Hospital hatte er jeden T ag mit den Harrisons telefoniert und sich nach Kathleen erkundigt. Sie hatten ihm jedoch nichts sagen können und geschworen, nichts zu wissen. Seit jenem Regentag hatten sie Kathleen nicht mehr gesehen. Er sagte ihnen, er werde so schnell wie möglich zu ihnen nach »Bergblick« kommen.
Er hatte die Zeitungsmeldungen über das Unglück gelesen und war sich bewusst, dass er großes Glück gehabt hatte, mit dem Leben davongekommen zu sein. Elf Passagiere und die Piloten hatten weniger Glück gehabt. T rotzdem fragte er sich manchmal, weshalb er sich glücklich schätzen sollte. Ohne Kathleen …
Weshalb war sie nur verschwunden? A ls sie gegangen war, hatte sie nicht einmal gewusst, wie schwer seine V erletzungen waren oder ob er jemals wieder vollständig genesen würde. Etwas hatte sie von hier fortgetrieben, aber was?
Nach einigen frustrierenden W ochen in St. Louis hatte er seine Suche nach ihr in »Bergblick« aufgenommen. Die Harrisons schworen, dass sie seither kein Lebenszeichen von Kathleen erhalten hatten bis auf eine handschriftliche Nachricht, die sie ihnen aus A tlanta, ihrer alten A dresse, per Post hatte zukommen lassen.
Erik las den Brief. Darin stand nicht mehr, als dass es ihr gut ginge und sie dem älteren Paar zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich schreiben werde. Sie beschwor sie, sich keine Sorgen um sie zu machen, und entschuldigte sich bei ihnen, dass sie so unvermittelt ohne A bschied gegangen sei. Das war alles.
Bei seiner zweiten fruchtlosen Fahrt nach »Bergblick« trugen die Bäume bereits die Farben des Herbstes. Es war Edna, die ihn aus seinen Gedanken in die bedrückende Gegenwart zurückriss.
»Sag uns doch noch mal, was du in A tlanta herausgefunden hast.«
Erik seufzte und richtete sich auf seinem Stuhl auf. »Sie ist gleich nach dem Unglück dorthin gefahren. Sie hat ihre W ohnung aufgelöst, sämtliche Rechnungen beglichen, ihre Sachen gepackt und ist verschwunden. Ohne jemandem ihre neue A nschrift zu hinterlassen. Ich bin auch zu Masons gegangen, wo sie gearbeitet hat. Habt ihr eigentlich gewusst, dass sie dort schon gar nicht mehr angestellt war?«
»Nein«, sagte das Paar überrascht im Chor.
»Sie hat dort bereits vor Beginn des Sommers gekündigt.
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