Glut unter der Haut
herein.
Kathleens Blick wurde auf unerklärliche W eise von ihr angezogen. Die Frau war klein, blond und ausgesprochen attraktiv. Ihre perfekten Züge waren von Sorge gezeichnet, als sie zur A ufnahme eilte. Sie trug einen schlichten Baumwollrock, der ihre schlanke Figur wunderbar zur Geltung brachte; über ihre kleinen, runden Brüste schmiegte sich eine weiche Baumwollbluse.
Sie legte die Hände auf den T resen der A ufnahme und beugte sich zu der Krankenschwester, die kurz für Mrs. Prather eingesprungen war.
Ihre Stimme war belegt, und sie sprach hastig, fast übereilt, als sie sagte: »Ich bin Mrs. Gudjonsen. Ein Dr. Hamilton hat mich angerufen. Es geht um Erik Gudjonsen. Der A rzt erwartet mich.«
»Aber sicher, Mrs. Gudjonsen. Gehen Sie dort hinein.« Die Schwester deutete auf die Schwingtür, auf die Kathleen während der vergangenen Stunden ununterbrochen gestarrt hatte.
Mrs. Gudjonsen stieß sich vom T resen ab und ging mit schnellen Schritten in das Behandlungszimmer; die T ür fiel hinter ihr zu. Ebenso laut und ebenso endgültig schloss sich eine T ür zu Kathleens Herzen.
Völlig reglos saß sie da, weil sie fürchtete, in Millionen kleiner Splitter zu zerfallen, wenn sie sich jetzt auch nur im mindesten rührte. Eine Hitzewelle überfiel ihren Kopf und pochte in ihren Ohrläppchen. Sie bekam kaum Luft und hatte Mühe zu schlucken, so groß war der Knoten in ihrem Hals.
Ihr Kopf schwirrte, und sie fürchtete, ohnmächtig zu werden. Das Dröhnen in ihrem Kopf musste doch für jeden um sie herum zu hören sein, obwohl jedermann unbeirrt weiter seiner A rbeit nachging. Bekam denn niemand mit, dass sie, Kathleen Haley, gerade starb? Hier und jetzt, in diesem A ugenblick. Sie könnten A ugenzeugen des langsamen, schmerzhaften, quälenden T odes einer menschlichen Seele sein. A ber niemand sah es. Niemand kümmerte sich darum.
Sie musste hier raus, sie musste weg.
Wider besseres W issen war sie Ednas gut gemeintem
Rat gefolgt, weil sie es gewollt hatte. A ber wieder hatte sie geliebt und verloren. Sie hatte den Mut wiedergewonnen, einen Menschen zu lieben, aber wie ihre Eltern, so würde auch Erik sie verlassen. Nur dass sie nicht da sein würde, um das zu erleben. Sie würde vorher weggehen.
Langsam stand sie auf und ging zum T resen hinüber. Sie nahm einen Bogen Papier, der dort herumlag, schrieb Eriks Namen drauf und schob den Bogen mit zitternden Fingern durch den Ring an Eriks A utoschlüsseln. Beides legte sie so hin, dass Mrs. Prather es garantiert finden würde.
Als sich Kathleen umdrehte, stieß sie mit einem großen, stämmigen, blonden Mann zusammen, der auf den T resen zueilte. Sie senkte den Blick, weil sie nicht wollte, dass jemand ihre T ränen sah, die ihr in Strömen über die W angen rannen.
Minuten später kam Mrs. Prather schnellen und beschwingten Schrittes zurück, und sie brachte eine gute Nachricht mit. Der gutaussehende Mr. Gudjonsen hatte das Bewusstsein wiedererlangt, hatte seinen Bruder und seine Schwägerin erkannt und mit ihnen gesprochen. Dann hatte er nach jemand namens Kathleen gefragt.
Mrs. Prather wusste sofort, wer damit gemeint war. Mit der Erlaubnis des A rztes hatte sie auf dem A bsatz kehrtgemacht, war den Gang hinunter- und durch die Schwingtüren geeilt.
Doch als sie die aufstieß und sich im W arteraum umsah, war die nette junge Frau mit den schimmernden smaragdgrünen A ugen und dem rotbraunen Haar, den aufgeschürften Händen und dem von Sorge und Liebe erfüllten Blick nicht mehr da.
»Sagt mir jetzt endlich, wo sie ist!«, forderte Erik. Seine A ugen funkelten aus tiefen A ugenhöhlen. Um seinen Mund hatten sich Falten der Müdigkeit, Sorge und kürzlichen Krankheit eingegraben. Er schlug mit der Faust auf den T isch.
»Erik, beruhige dich und hör auf, uns anzuschreien«, sagte B. J. »Wir haben dir doch gesagt, dass wir nicht wissen, wo Kathleen ist, und das ist die W ahrheit. W ir machen uns doch genauso große Sorgen wie du.«
»O Mann …« Erik seufzte verzweifelt und hoffnungslos. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schlug die Hände vor das Gesicht.
Zum zweiten Mal innerhalb eines Monats war er jetzt nach »Bergblick« gekommen und hatte die Harrisons um Informationen über Kathleen gebeten. A ber beide Male hatten sie geschworen, nichts über ihren V erbleib zu wissen.
Zwei W ochen lang hatte er im Krankenhaus liegen müssen, unfähig, etwas zu unternehmen und herauszufinden, was mit ihr geschehen war. A ls er das Bewusstsein
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