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Glutnester

Glutnester

Titel: Glutnester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Diechler
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immer auf dem Fensterbrett. Mit gekrümmtem Rücken. »In Köln hab ich mehr als einmal mit ansehen müssen, was Männer Frauen antun. Meist jungen, unschuldigen Mädchen, die für immer gezeichnet sind. Sie müssen nicht gutheißen, was ich vorhabe. Mir reicht es, wenn Sie mich einfach machen lassen«, verlangt sie von ihm. »Um den Staatsanwalt anzurufen, weil Gefahr in Verzug ist, ist es zu spät. Der sitzt vermutlich vor einem Bier oder liegt hinter seinem Freund. Neueste Gerüchte, die mir zu Ohren gekommen sind. Das mit dem Freund«, redet Elsa ohne Punkt und Komma. »Aber zumindest kann ich den Zweck, das Ziel und das Ausmaß der Durchsuchung benennen.«
    »Jetzt seien Sie doch vernünftig.« Degenwald hält Elsa noch fester gepackt als zuvor. Er hat keinesfalls vor, sie ins Haus zu lassen. Und wenn er ewig hier draußen weiterreden muss. »Vernunft ist kein dekoratives Element unseres Lebens, um es mal mit Ihren blumigen Worten zu umschreiben, sondern bittere Notwendigkeit. Wir dürfen nicht nur an diesen Fall denken, sondern auch an die Zukunft.«
    Elsa versucht, seine Hand abzuschütteln. »Ihre sorgsam ausgeklügelte Lebens-und Berufsmaxime in Ehren. Die geht hier und in diesem Fall nur nicht auf. Man kann vor dem Leben nicht in Deckung gehen. Auch als Kriminalhauptkommissar nicht. Wir sind aufgefordert, zwei schreckliche Todesfälle aufzuklären und vielleicht weitere zu verhindern«, deklamiert sie.
    »Welch pathetische Einschätzung, liebe Kollegin«, wird Degenwald plötzlich förmlich. »Wenn wir heute hier einbrechen, verstoßen wir gleich gegen eine ganze Reihe von Vorschriften. Wir haben, abgesehen vom fehlenden Durchsuchungsbefehl, keine Zeugen, die der Durchsuchung hinzuzuziehen wären, und wir negieren die Durchsuchungszeit, die ab 21 Uhr abgelaufen ist. In meinem Kopf klingelt nur ein Wort, und das ständig: ›rechtswidrig‹.«
    »Was nicht zum Verwertungsverbot allfälliger Beweismittel führt. Außerdem, es ist Gefahr in Verzug«, wettert Elsa und springt unwillig vom Fensterbrett.
    Degenwald lacht brüskiert auf. »Ach ja? Halten Sie mich zum Narren? Welche Gefahr? Vermuten Sie eine weitere Leiche dort drin?«
    »Die Voraussetzung einer Durchsuchung sind zureichende tatsächliche Anhaltspunkte.«
    Degenwald haut mit der freien Hand aufs Fensterbrett, dass es nur so kracht. »Wenn wir auf diese Art an Beweisstücke herankommen, sind die vor Gericht nicht verwendbar. Und Ihren Job sind Sie auch los.«
    »Glauben Sie, ich weiß das nicht? Aber wenn wir etwas finden, können wir dem Täter hinterher ein Geständnis abringen. Wir könnten unsere Verhörstrategie als ein gut gebautes Fundament bezeichnen. Wir tappen nicht länger im Dunkeln. Bis jetzt haben wir nichts in der Hand. Allein durch kluges Taktieren können wir was bewirken. Und wenn ich Pech hab und gefeuert werde – wen kümmert’s? Ein Störenfried weniger in Ihrer bayrischen Idylle. Ich werde zwangsversetzt oder mache mich als Psychologin für krisengebeutelte Manager selbstständig. Ihnen kann’s recht sein. In Unterwössen und Traunstein kehrt wieder selige Ruhe ein. Und für eine nette Geschichte am Stammtisch tauge ich auch noch. Ein bisschen den Mund zerreißen und, wo ich schon mal weg bin, draufhauen. Und da jetzt wirklich alles gesagt ist, bitte ich Sie, lassen Sie mich gefälligst los. Ich gehe hier rein. Mit Ihnen oder ohne Sie.«
    »Was halten Sie von einem Kompromiss? Wir fangen im Stall an. Meiner Meinung nach das perfekte Versteck, wenn es etwas zu verstecken gilt«, schlägt Degenwald überraschend vor. Seine Stimme ist mit einem Mal weniger blasiert als noch zuvor. Er klingt, als wolle er vermitteln.
    »Ich muss was unternehmen. Irgendwas. Wenn’s um Missbrauch geht, brennen bei mir alle Sicherungen durch«, versucht Elsa sich ein letztes Mal zu rechtfertigen.
    »Ich weiß!«, flüstert Degenwald. »Das haben Sie mir inzwischen klargemacht.« Nach einer kleinen unbehaglichen Pause spricht er weiter. »Wir machen es gemeinsam, einverstanden? Wir sind ein Team.«
    »Sie sind ein Klugschwätzer«, wirft sie ihm an den Kopf.
    »Ich weiß. Und ich entschuldige mich dafür!«, raunt Degenwald.
    »Sie sind ein besserer Psychologe als ich«, wird Elsa plötzlich weich und schüttelt den Kopf.
    »Keine Sorge. Sie sind keine formbare Masse Frau. Und so was will ich auch gar nicht. Weder im Beruf«, Degenwald zögert und spricht dann weiter, »noch privat.«
    Elsa steht neben ihm und sagt gar nichts mehr.
    »Wenn Sie Ihre

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