Glutopfer. Thriller
gern vollendet, doch andererseits war die kleine Störung auch aufregend und die vergebliche Jagd auf ihn amüsant.
Aber genug davon. Er kann sich die Zeit nicht von Tagträumen stehlen lassen. Er muss sich konzentrieren, vorbereiten. Er ist auserwählt. Er kann das nicht einfach als selbstverständlich erachten. Er muss ein Leben führen, das seiner Berufung würdig ist.
Ehre die Flamme. Diene dem Feuer. Bringe die Opfer dar. Werde eins mit dem, der die Berggipfel zu geschmolzener Asche und wogenden Rauchsäulen macht.
»Immer noch keine Nachricht von Steve?«, fragt Preacher.
Stacy, die Beamtin aus der Verwaltung, schüttelt den Kopf.
Preacher verabschiedet sich in den Feierabend. Es ist ein bisschen früh, aber er ist erschöpft und muss schlafen. Zwischen Frances und dem Fall ist er in letzter Zeit nicht oft dazu gekommen.
»Ist allen klar, dass er keinen Ärger bekommt, dass ich ihn nur mal brauche?«
Sie nickt.
»Ja, ich glaube schon. Wenn jemand versuchen würde, ihn zu decken, hätte ich davon gehört. Keiner weiß, wo er ist.«
»Hat man schon mit seinen Leuten gesprochen?«
»Mit seinen Leuten, seiner Schwester, seiner Exfreundin. Keiner weiß was.«
»Mit wem könnte ich noch reden?«, fragt er.
»Er hat hier keine engeren Freunde. Wüsste nicht, wo man da ansetzen soll.«
»Okay«, sagt Preacher und seufzt frustriert.
»Tut mir leid.«
»Sie können nichts dafür. Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie was hören.«
Er geht zur Tür seines Departments hinaus und dann durch den Korridor des Gerichtsgebäudes, wobei er mit jedem spricht, dem er begegnet – nicht nur, weil er in zwei Jahren zur Wiederwahl antritt, sondern weil er die Menschen wirklich mag und gern ihr Sheriff ist.
Er steht schon fast vor seinem Pick-up, als sein Handy klingelt.
»Sheriff, hier ist Stacy. Sie hatten gerade die Tür hinter sich zugemacht, da klingelte das Telefon.«
»Steve?«
»Sozusagen«, sagt sie. »Sein Auto wurde gefunden.«
Als es unerwartet an Daniels Tür klopft, schöpft sein Herz Hoffnung. Er hat keinen Grund zu der Annahme, dass es Sam ist, aber warum sollte sie es nicht sein?
Der Abend dämmert, die Septembersonne steht tief über dem Horizont, weiches, orangefarbenes Licht dringt durch die Wipfel der Bäume am Rand des Dead River, und um Louisiana Lodge entstehen längliche Schatten, die den Dingen, die sie werfen, kaum noch ähnlich sehen.
Als er die Tür aufmacht, erkennt er das Gesicht nicht gleich, begreift dann aber, dass es die ist, auf die er gehofft hat, allerdings völlig verändert. Das Gesicht ist rot und geschwollen, und um das rechte Auge zeichnet sich ein dunkler Ring ab. Um den Hals trägt sie ein Tuch.
Ohne zu begreifen, was er tut, tritt er auf die Veranda und umschlingt sie sanft.
Sie bricht zusammen, fängt an zu weinen, schluchzt so heftig, dass ihr Körper sich krümmt.
Sie bleiben lange so stehen, dann legt er ihr den Arm um die Schulter, führt sie ins Haus, setzt sie auf die Couch und macht ihr einen starken Drink.
Als sie schließlich dazu in der Lage ist, erzählt sie ihm, was passiert ist. Körperlich brauchte sie nur Salbe und einen Verband um den Hals. Seelisch braucht sie wesentlich mehr.
»Du gefällst mir so«, sagt er. »Du bist genauso schön, vielleicht ein bisschen verwegen, aber mindestens genauso sexy.«
Sie lächelt und streicht sich das Haar aus dem Gesicht.
»Du bist lieb.«
»Ich bin ehrlich. Das ist die Wahrheit.«
»Tut mir leid, dass ich einfach so reinplatze«, sagt sie.
»Ich bin so froh, dass du gekommen bist.«
»Ich muss jetzt gehen«, sagt sie. »Ich habe so viel zu tun, aber ich wollte –«
»Noch nicht. Bitte. Bleib noch ein bisschen.«
Sie nimmt ihr Glas und trinkt einen Schluck.
»Es tut mir so leid«, sagt er. »Ich wünschte, ich könnte was tun.«
»Du bist …« Sie setzt an, um etwas zu sagen, spricht aber nicht weiter.
»Was?«
»Es war idiotisch von mir, dass ich dich in Miami so behandelt habe.«
Er schüttelt den Kopf.
»Schon okay.«
»Ich wollte aus einer schlechten Beziehung raus – schlecht für mich jedenfalls –, wurde aber wieder hineingezogen. Ich wünschte, ich hätte uns zumindest eine Chance gegeben.«
»Jetzt spricht nur der Alkohol«, sagt er lächelnd.
Als sie zurücklächelt, sieht ihr Gesicht zum ersten Mal an diesem Abend wie immer aus, und ihre Augen funkeln. Sie boxt ihn auf den Arm.
»Ich habe noch nicht mal ausgetrunken.«
Er fragt sich, ob er sie küssen soll, beschließt aber,
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