Glutopfer. Thriller
noch eine Rolle im neuen Bund?«
»Auf jeden Fall. Nur weil sich Jeschua als unser großer Hohepriester für uns geopfert hat, ist das Opfer an sich noch nicht hinfällig. Wir sündigen weiterhin, brechen das Gesetz, und dafür müssen wir bezahlen. Ohne Blutvergießen kann es keinen Erlass der Sünden geben.«
Die drei Männer sitzen in der ersten Reihe auf Klappstühlen und müssen sich mühsam umwenden, wenn sie einander ansehen wollen. Nathan hat sie bekannt gemacht, aber seitdem nichts mehr gesagt, und nun wirkt er abwesend und bekommt vom Gespräch anscheinend nichts mit.
»Bringen Sie wirklich Tieropfer dar?«
»Wir bringen Opfer dar. Aus naheliegenden Gründen kann ich darauf nicht weiter eingehen. Wir leben unter einem repressiven säkularen Regime. Die gottlose Regierung sucht immer nach einem Grund, um meine Türen zu verschließen, um Eden vor der Welt zu verbergen.«
»Wer ist das Volk Gottes, von dem in der Heiligen Schrift die Rede ist?«
»Das sind wir. Ich kann meine Familie bis hin zu Moses zurückverfolgen.«
»Und die Juden?«
»Viele Menschen, vielleicht auch Sie, haben fälschlicherweise angenommen, dass in der Heiligen Schrift von den Semiten die Rede ist, aber Jahwe hat seinen Bund mit dem weißen Mann geschlossen. Wer sonst sollte die Welt regieren? Wir sind jeder anderen Rasse in jeder Hinsicht überlegen, fortgeschrittener, wohlhabender. Ohne uns würden sich alle anderen noch im Dschungel beschnüffeln.«
Daniel nickt. Das kennt er schon. Fremdenfeindlichkeit mit Religion übertüncht und bis ins Extrem getrieben. Es macht ihn krank, aber er tut sein Bestes, um sich nichts anmerken zu lassen.
»In letzter Zeit habe ich unter anderem die Rolle des Feuers in der Religion studiert. Würden Sie mir sagen, welchen Stellenwert das Feuer in Ihrem Glauben hat?«
»Jahwe ist das alles verzehrende Feuer«, sagt er. »Er reinigt und bessert uns, brennt alles weg, was unsauber und unrein ist. Ich als Prophet trage sein Feuer in meinem Leib. Ich muss sprechen. Ich kann es nicht für mich behalten.«
Daniel erkennt die Anspielung auf den hebräischen Propheten Jeremia.
Aaron Ben Aarons Äußerungen stimmen im wesentlichen mit dem überein, was Daniel für die Ansichten des Mörders hält, und doch glaubt er nicht, dass dieser Mann der Mörder ist. Er ist viel älter, als das Profil vermuten lässt, und so dick, dass er ihm Sonntagnacht auf den Gleisen unmöglich davongelaufen sein kann. Doch auch wenn er nicht der Mörder ist, könnte er diesen durchaus inspiriert haben.
»Ich interessiere mich in letzter Zeit auch deswegen so sehr für die Rolle des Feuers in der Religion, weil ich der Polizei bei den Ermittlungen zur jüngsten Serie von Todesfällen durch Feuer hier in der Gegend helfe. Wir haben Grund zu der Annahme, dass der Täter religiös motiviert ist, dass er durch Feuer Opfer darbringt.«
»Ah, verstehe«, sagt Aaron, und sein Auftreten ändert sich schlagartig. »Das ist der eigentliche Grund für Ihr Interesse.« Er richtet sich auf, streicht sein Gewand glatt und schiebt seine Brille hoch.
»Ich interessiere mich wirklich für Ihre Religion«, sagt Daniel, »aber ich suche auch nach dem jungen Mann, der Menschen bei lebendigem Leib als Opfergabe verbrennt – und das hat Jahwe nie verlangt, meinen Sie nicht?«
»Es gibt da den Fall des Jizhak«, sagt er. »Und es gibt den Holocaust, der, wenn er denn geschehen ist, von Jahwe zugelassen wurde.«
»Es wäre nicht gut für die Ausbreitung Ihrer Religion, wenn der Mörder zu Ihrer Gemeinde gehört und Sie uns nicht helfen, ihn aufzuhalten.«
»Ich versichere Ihnen, er gehört nicht dazu. Ich habe eine kleine Gemeinde und kenne jedes Mitglied meiner Herde ganz genau.«
Daniel begreift, dass er nur seine Zeit verschwendet, und steht auf.
»Aber wie dem auch sei«, sagt Aaron, »vielleicht weiß ich trotzdem, nach wem Sie suchen.«
38
Abend.
Diffuses Licht. Goldene Glut.
Der Wellblechzaun um das Gelände ist verzogen, verrostet, voller Graffiti. An vielen Stellen wachsen Bäume, Büsche und Unkraut so dicht, dass man ihn gar nicht sieht.
Weil dieses Gelände in der Nähe des Highway 371 am äußersten Rand von Pine County liegt, ist das Bayshore Police Department gar nicht mehr zuständig.
»Wir gehören aber zur Sondereinheit«, sagt Adam Whitten. »Das weitet unsere gottverdammte Zuständigkeit aus.«
Whitten ist ein Weißer Mitte vierzig, der die Tatsache, dass er klein ist, durch Cowboystiefel und Cowboyhut zu
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