Glutopfer. Thriller
verbringen werden.
Er bereitet sich gerade darauf vor, das letzte Opfer des Tages darzubringen, als er diesen Aufruhr hört, der durch den Wald dringt. Bislang ist alles nach Plan verlaufen. Von Daniel und der Agentin ist er enttäuscht. Er hatte so große Hoffnungen in sie gesetzt – besonders in Daniel, der sich nun nicht als würdiger Deuter erweist, wie es Aaron für seinen Moses und Paulus für seinen Jesus war.
Und jetzt auch noch diese Störung. Das ist zu viel. Es macht ihn wütend, und es steigt regelrecht Entrüstung in ihm auf, weil jemand es wagt, auf heiligem Boden herumzutrampeln und das Werk des Herrn zu behindern. Nein, das kann er nicht zulassen. Nein.
Jess und Mandy rauchen gerade zusammen einen Joint, als die Bullen anrollen.
Mandy lässt den Joint fallen und rennt los in den Wald. Jess zögert kurz, schnappt dann den Joint und läuft ihr nach.
Sie hat Vorsprung und rennt so schnell sie kann, aber Jess holt sie nach einer guten Meile ein.
»Warte doch«, sagt er. »Was machst du denn?«
»Weißt du, wie viel Gras und Schwarzgebrannten ich im Auto habe?«
Er begreift, dass es eine ganze Menge ist. Gras nicht so viel, aber massenhaft Alk. Den klaut ein gemeinsamer Freund aus den gebunkerten Vorräten seines Vaters, und heute hat er ihnen so viel gegeben, dass es für die ganze Gruppe reicht.
»Scheiße«, sagt er. »Was machen wir da?«
»Nach Hause laufen. Meinen Eltern erzählen, dass das Auto gestohlen wurde.«
»Weiß du, wie weit das ist?«
»Ich schaffe das. Und du?«
»Ja, schon, aber ich bin müde vom Spiel und ein bisschen high.«
»Hast du eine –«
Weil sie etwas hören, bleiben sie ganz still stehen, und als sie sich umdrehen, sehen sie in der Nähe eine Gestalt. Jemand, der auch auf der Party war?
Als die Gestalt auf sie zurennt, denkt Jess: Der rennt nicht wie einer in unserem Alter. Wirkt älter. Da stimmt was nicht. Er fährt herum zu Mandy.
»Lauf«, sagt er.
Sie rennt los.
Als er sich wieder umdreht, ist der Mann schon fast bei ihm. Er hockt sich hin, in Verteidigungsstellung wie so oft heute beim Spiel, macht sich bereit, und als der Mann da ist, senkt er die Schulter und greift an.
Weil Jess nicht weiß, was er sonst machen soll, bleibt er auf dem Mann liegen, damit Mandy einen möglichst großen Vorsprung gewinnt. Der Plan ist nicht besonders toll, aber in seinem Zustand fällt ihm nichts Besseres ein. Also rührt er sich nicht. Liegt einfach da.
Zuerst wundert es ihn, dass der Mann gar nichts tut – er macht kein Geräusch, außer, dass er atmet, und versucht auch nicht, sich zu bewegen. Dann begreift Jess, dass er ihn wahrscheinlich umgehauen hat.
Er bleibt noch eine Weile liegen, ohne sich zu rühren, und als er aufstehen will, merkt er, dass es nicht geht. Anscheinend hatte der Mann auch den Plan, dass er sich nicht rührt.
Während er den schlaffen Körper von sich herunterrollt und aufsteht, wird er noch wütender. Er wurde nicht nur in seinem Werk gestört, jetzt musste er auch noch die Spritze mit dem Succinylcholin an dieses stinkende, besoffene Landei verschwenden.
Das Succinylcholin hat er im Zuge umfassender Recherchen für seine Arbeit, seine Mission entdeckt. Es handelt sich um ein Muskelrelaxans, das einen Menschen vollständig lähmt, ohne dass er das Bewusstsein verliert. Wenn er es anwendet, kann er sich auf seine Tätigkeit konzentrieren und muss sich keine Sorgen machen, dass die Opfergabe plötzlich aufspringt und wegrennt. Außerdem kann er so den Ausdruck in ihren Augen genießen, wenn ihnen klar wird, dass sie wirklich in Flammen stehen und nichts unternehmen können. Sie verdienen es, zu leiden, im Ansatz jenen Schmerz, jenen Tod zu erfahren, den sie anderen zugefügt haben, einen Vorgeschmack der Höllenfeuer zu spüren, die sie erwarten.
Es hat natürlich eine Weile gedauert, bis er es richtig dosieren konnte. Zu viel davon, und die Opfergabe stirbt, bevor das Feuer ordentlich brennt. Zu wenig, und sie schreit. Das Zeug wirkt schnell, also muss er das Feuer entzünden, sobald er die Injektion verabreicht hat, aber das ist kein Problem. Er war schon immer ein eifriger Junge.
Nun wartet die Opfergabe, er ist frustriert wegen der Störung und weil er sein Succinylcholin verschwendet hat, und obendrein muss er auch noch das Mädchen finden.
40
Daniel kann nicht schlafen, also fährt er nach Bayshore, um am Strand zu joggen, und redet sich dabei ein, dass er das nicht tut, weil es ihn direkt zum Driftwood führt.
Er
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