Glutopfer. Thriller
angehört?«
»Ich glaube, Dr. Davis hatte recht mit seiner Vermutung, dass er früher mal von Gemeinschaften dieser Art inspiriert war oder sogar dazugehört hat«, sagt er, »aber ich bezweifle, dass es jetzt noch so ist.«
»Das passt doch auf River Scott. Er hatte mit beiden Gemeinschaften zu tun, hat aber beide verlassen.«
»Ich sage ja nicht, dass er es nicht ist.«
Sie nickt.
»Ich weiß. Aber Sie haben recht. Jemand, der so selbstsicher, organisiert und geduldig vorgeht wie unser Mann, ist wahrscheinlich älter, allerdings könnte es sein, dass River in krimineller Hinsicht reif für sein Alter ist.«
Als die Tür wieder aufgeht, kommt Whitten heraus.
»Könntet ihr es übernehmen, Klavan erkennungsdienstlich zu behandeln und ihm eine schöne Zelle zu suchen?«, fragt Sam.
Whitten zögert, aber Dyson nickt.
»Klar«, sagt er.
Aus dem Großraumbüro am Ende des Gangs hört Sam, dass Julie sie ruft, Preachers Sekretärin.
»Bin hier«, sagt sie.
»Gut, dass ich Sie erwische. Ich dachte, Sie wären schon weg.«
»Was ist denn?«
»Die Polizei von Panama City hat gerade angerufen. Ein Mann, auf den ihr Fahndungsaufruf passt, hat in der Stadt bei der Rescue Mission übernachtet.«
47
Mehrere Männer in verdreckter, zusammengewürfelter und schlechtsitzender Kleidung haben sich in der Innenstadt von Panama City vor der Rescue Mission versammelt wie Motten unter einem Sicherheitsscheinwerfer. Sie sind unterschiedlichen Alters, sehen aber fast alle älter aus, als sie sind.
Es gibt normale Jahre, und es gibt Jahre auf der Straße.
Hinter den hohen Gebäuden an der Harrison Avenue und den Booten, die auf der St. Andrew Bay tanzen, sieht die Sonne aus, als würde sie jenseits von Mexiko sinken, und die dämmrige Abendluft, die sie hinterlässt, ist kühler und weniger feucht.
In dem Moment, als Sam und Colin aus dem Wagen steigen, rennt ein junger Mann davon, auf den die Beschreibung von River Scott passt.
Sie springen wieder ins Auto, rasen ihm nach und funken dabei die Polizei von Panama City an, um die Verfolgung zu melden und Verstärkung anzufordern.
River verschwindet hinter Gebäuden, nimmt Abkürzungen durch Gassen, rennt hinter den Geschäften an der Harrison Avenue vorbei, den kleinen Abhang hinunter in den McKenzie Park und kommt auf der anderen Seite wieder heraus, ohne langsamer zu werden. Dann biegt er in den Beach Drive ein, überquert auf der kleinen Zugbrücke Massalina Bayou und spurtet schließlich auf der anderen Seite in ein leerstehendes Lagerhaus.
Sam und Colin kommen mit quietschenden Bremsen vor dem Gebäude zum Stehen, springen mit der Waffe im Anschlag aus dem Wagen und rennen auf das lose Stück Blech zu, hinter dem River gerade verschwunden ist.
»Er rennt wahrscheinlich einfach durch und kommt auf der anderen Seite wieder raus«, sagt sie. »Ich laufe dorthin. Sie bleiben hier und passen auf, dass er nicht vorn wieder rauskommt. Wenn er drinbleibt, gehen wir zusammen rein.«
Als Sam seitlich um das Gebäude herumrennt, macht sich der Adrenalinstoß in ihrem Körper bemerkbar.
»Nicht auf ihn schießen, wenn er rauskommt«, schreit sie Colin noch zu. »Denken Sie dran, er ist noch ein Kind.«
In dem Lagerhaus aus verrostetem Blech werden vielleicht Boote gebaut, repariert oder gelagert, denn es steht dicht am Wasser und riecht nach Meer und dem Zweitaktergemisch für Bootsmotoren.
Sam kommt an der Rückseite an, springt auf ein Verladedock und reißt am alten Metallgriff einer Frachtschiebetür. Die rührt sich nicht.
Sie tritt zurück und sucht nach einem anderen Eingang, nach einem kaputten Fenster oder losen Blech, doch sämtliche Fenster sind mit Brettern vernagelt, und andere Zugänge gibt es nicht.
Also springt sie vom Verladedock, geht ein paar Schritte von dem Gebäude weg und blickt nach oben. Anders als im Erdgeschoss fehlen die Fensterflügel im ersten Stock, und die Rahmen sind zersplittert. Doch die Öffnungen liegen so hoch, dass Sam nicht hinaufklettern kann, obwohl sie es für möglich hält, dass River aus einer davon in den Flussarm springt.
Sie wartet kurz ab und beschließt dann, umzukehren und von vorn in das Gebäude zu gehen.
Als sie an der Ecke ist, hört sie von innen einen Schrei. Sie rennt in vollem Tempo los, hält vor dem losen Stück Blech gar nicht erst inne und stürzt hinein.
Weil sie in der Dunkelheit nichts sieht, bleibt sie kurz stehen, und als sich ihre Augen daran gewöhnt haben, hört sie von fern schon
Weitere Kostenlose Bücher