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Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Gnade deiner Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Unger
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durch den Flur und wurde von den Wänden zurückgeworfen. Willow drehte sich um und entdeckte Becka Crim und ihre hübschen Barbie-Klone. Die strassbesetzten Designertaschen – Juicy Couture, Coach, Kate Spade – funkelten böse. Ihren Rucksack hatte Willow in einem Laden für Armeebekleidung gekauft. Sie fand ihn cool. Zu cool für diese Schule. Willow zeigte den Mädchen den Mittelfinger, drehte sich um und marschierte unter Hohngelächter davon.
    »Ihre Liebe zu ihm war eine rote, rote Rose.«
    Sie wusste nicht, wer das gesagt hatte. Es war egal. Keines der Mädchen besuchte den Leistungskurs, und trotzdem wussten alle, was im Unterricht vorgefallen war. Na toll.
    Die Tür zu Mr. Vance’ Büro war geschlossen. Durch das Milchglas konnte sie seine Gestalt hinter dem Schreibtisch erkennen. Sie spürte ein nervöses Flattern in der Magengrube, hob aber tapfer die Hand, um anzuklopfen.
    »Herein.«
    Sie öffnete die Tür. Er sah nur kurz von der Akte auf, die vor ihm auf dem Schreibtisch lag. Willow blieb unschlüssig auf der Schwelle stehen.
    »Was kann ich für dich tun?«, fragte Mr. Vance, als sie sich nicht rührte. Er betrachtete sie mit gerunzelter Stirn.
    »Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte Willow schließlich. »Es tut mir leid. Das war dumm von mir.«
    Er zeigte auf den freien Stuhl vor dem Schreibtisch. Als sie sich hinsetzte, klingelte es. Sie würde zu spät im Kunstunterricht erscheinen.
    »Lass mich dir etwas erklären«, sagte Mr. Vance. »Wir sind doch Freunde, oder? Wir verstehen uns gut, wir unterhalten uns über Bücher und reden nach dem Unterricht über dies und das.«
    »Ja«, sagte sie. Auf dem Schreibtisch stand ein Foto, das Mr. Vance Wange an Wange mit einer lächelnden Frau zeigte. Vermutlich war er verheiratet. Seltsam, Willow hätte sich seine Frau attraktiver vorgestellt, groß und blond. Die Frau auf dem Foto wirkte unscheinbar, hatte straßenköterblondes Haar und eine Brille. Aber sie wirkte sehr glücklich, und irgendwie sympathisch.
    »Aber das ist eine heikle Geschichte«, erklärte Mr. Vance, »und jede Anspielung darauf, uns könnte mehr als Freundschaft verbinden, hätte das Ende meiner Karriere zur Folge. Kannst du das verstehen? Ich habe eine Frau und werde demnächst Vater. Ich bin auf meinen Job und meinen guten Ruf angewiesen.«
    Willows Wangen wurden heiß, und sie spürte die Tränen aufsteigen.
    »Ich wollte nicht …«, fing sie an. Dann sagte sie nur: »Sorry.«
    »Du hast mich in eine sehr unangenehme Lage gebracht«, sagte Mr. Vance.
    Willow wollte sich nochmals entschuldigen, aber ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie brachte es nicht über sich, noch etwas zu sagen, sonst würde sie losheulen. Im Zimmer war es stickig, und plötzlich war ihr Mr. Vance viel zu nah. Sie stand auf, weil sie nur weg wollte von ihm, von seinem vorwurfsvollen Blick, der so ganz anders war als das verschmitzte Lächeln, das er ihr sonst zuwarf. Er war bleich und kniff die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. In Zukunft würden sie keine Freunde mehr sein, so viel wusste sie schon jetzt. Sie sprang unvermittelt auf, und die Stuhlbeine scharrten laut über den Boden. Im selben Moment wurde seine Miene weicher.
    »Na gut«, sagte er und hob beide Hände, »ich verstehe. Ich habe dich bloßgestellt, und du wolltest dein Gesicht wahren.«
    Dass er sie durchschaute, machte alles noch schlimmer.
    »Es tut mir aufrichtig leid«, sagte sie mit letzter Kraft. Auf keinen Fall würde sie in seiner Gegenwart zu weinen anfangen. Er wollte sie bestrafen, aber sie würde ihm nicht die Genugtuung geben und ihm zeigen, wie sehr er sie verletzte. Sie verließ das Büro und fiel in einen Laufschritt. Ihr Rucksack hüpfte auf und nieder und schlug ihr gegen den Rücken.
    »Willow!«, schallte seine Stimme durch den Flur. »Soll ich dir eine Entschuldigung für die nächste Unterrichtsstunde schreiben?«
    Die engen Flure, die Scham, der Essensgeruch aus der Cafeteria wurden ihr zu viel. Sie hielt es nicht mehr aus, hier im Licht der Neonröhren zu stehen, hier in dieser Schule, wo man sie für eine Verrückte hielt, wo niemand sie beachtete und niemand sie verstand. Hinter der nächsten Ecke hielt sie inne, dann ging sie langsam weiter. Aber in dem Moment, als sie die Tür zum Klassenraum öffnen wollte, entdeckte sie den Notausgang am Ende des Korridors. Durch das kleine, quadratische Fenster strömte Sonnenlicht herein. Ohne nachzudenken, lief Willow auf die Tür zu, stieß sie auf und

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