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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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sich trug. Er suchte sich eine bestimmte aus, legte sie in das Gerät, schlüpfte ins Bett und löschte das Licht. Unter die Decke gekuschelt, genoß er die sauberen gestärkten Laken und die angenehme Wärme des Betts. Er würde mit Sharon in vielen Hotels wohnen.
    Er steckte sich den Ohrhörer ins rechte Ohr und drehte vorsichtig am Abspielknopf des Recorders. Einige Minuten lang war nur das Geräusch eines Automotors zu hören, dann ein leises Quietschen von Bremsen, eine sich öffnende Tür und seine eigene, freundliche, eitel Hilfsbereitschaft verströmende Stimme, als er aus dem Volkswagen stieg.
    Er ließ die Kassette weiterlaufen bis zu der besten Stelle, und die spielte er immer und immer wieder. Schließlich hatte er genug gehört. Er stellte den Recorder ab, zog den Hörer aus dem Ohr und sank in tiefen Schlaf. Jean Carfollis erstickter Schrei »Nicht… bitte nicht!«
    klang ihm noch in den Ohren.

22
    Marian und Jim Vogler unterhielten sich bis spät in die Nacht. Obwohl Jim alles versuchte, um sie zu trösten, hatte sich Verzweiflung bei Marian eingestellt.
    »Es würde mir längst nicht so viel ausmachen, wenn wir nicht eben noch so viel Geld hineingesteckt hätten! Vierhundert Dollar! Wenn schon jemand den Wagen stehlen mußte, warum dann nicht letzte Woche, bevor wir ihn reparieren ließen? Und er fuhr so gut. Arty hat wirklich gute Arbeit geleistet. Und wie soll ich jetzt zu den Perrys kommen? Ich werde die Stelle verlieren!«
    »Baby, du wirst den Job nicht aufgeben müssen. Ich finde schon jemand, der mir ein paar hundert Dollar leiht, und dann werde ich mich morgen nach einer anderen alten Kiste umsehen.«
    »O Jim, würdest du das tun?« Marian wußte, wie ungern Jim sich Geld von Freunden borgte; aber wenn er es nur dies eine Mal tun würde…
    In der Dunkelheit konnte Jim ihr Gesicht nicht erkennen, aber er spürte, wie sich ihr Körper etwas entspannte. »Baby«, beruhigte er sie, »eines Tages werden wir über diese paar lausigen Scheine lachen. Ehe du dich’s versiehst, sind wir die Schulden wieder los.«
    »Ich schätze, du hast recht.« Plötzlich fühlte sie sich schrecklich müde und schloß die Augen.
    Sie waren noch nicht ganz eingeschlafen, als das Telefon klingelte. Das schrille Geräusch schreckte sie auf. Marian stützte sich auf den Ellbogen, während Jim nach der Nachttischlampe tastete und den Hörer abnahm.
    »Hallo, ja, hier Jim… James Vogler. Heute abend. Richtig. Oh, das ist gut. Wo? Wann kann ich ihn abholen? Sie machen Witze. Nein? Das ist doch die Höhe! Na gut. West 48. Straße in der Nähe des Hafens. Ich weiß. Richtig. Danke.« Er legte auf.
    »Der Wagen!« rief Marian. »Sie haben unseren Wagen gefunden!«
    »Ja, in New York. Er war falsch geparkt, und die Polizei hat ihn abgeschleppt. Wir können ihn morgen holen. Der Polizist meinte, er wurde wahrscheinlich von ein paar übermütigen Jugendlichen für eine Spazierfahrt geklaut!« »O Jim, das ist wunderbar!«
    »Die Sache hat nur einen Haken.« »Und?«
    Kleine Fältchen kräuselten sich um Jims Augen, und es zuckte um seine Lippen. »Baby, du wirst es kaum glauben, wir haben fünfundzwanzig Dollar Parkgebühr und zweiundfünfzig Dollar fürs Abschleppen am Hals.«
    Marian blieb die Luft weg. »Das ist mein erster Wochenlohn!« In ihrer Ratlosigkeit brachen sie in Gelächter aus. Am nächsten Morgen fuhr Jim mit dem Sechsuhrfünfzehnzug nach New York und war um fünf vor neun mit dem Wagen zurück. Marian erwartete ihn bereits. Um Punkt neun bog sie in die Driftwood Lane ein. Der Wagen hatte auf seiner unerlaubten Fahrt nach New York keinen Schaden gelitten, und sie war dankbar für die neuen Winterreifen. Bei diesem Wetter brauchte man sie wirklich.
    In der Auffahrt der Perrys parkte ein Mercury. Er sah fast genauso aus wie der, den sie vor dem Haus gegenüber gesehen hatte, als sie sich in der vorigen Woche bei den Perrys vorgestellt hatte. Die Perrys mußten Besuch haben. Etwas verunsichert parkte sie neben dem Mercury, wobei sie darauf achtete, daß sie den Zugang zur Garage nicht verstellte. Dann zögerte sie einen Augenblick, bevor sie die Wagentür öffnete. Sie war ein wenig nervös - die ganze Aufregung mit dem Wagen, gerade jetzt, wo sie eine neue Stellung antrat. Egal, reiß dich zusammen, dachte sie. Sei dankbar, daß der Wagen wenigstens wieder da ist. Liebevoll tätschelte sie den Sitz neben sich mit ihrer behandschuhten Hand.
    Plötzlich hielt sie inne. Einer ihrer Finger hatte etwas Hartes

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