Gnadenfrist
hatte. »Mr. Peterson«, platzte er heraus, »ich muß mit Ihnen über Ihren Sohn sprechen.«
»Über meinen Sohn?« Steve fing den warnenden Blick auf, den Hugh ihm zuwarf. Unter dem Tisch ballte er die Fäuste. »Was ist mit meinem Sohn?«
»Mr. Peterson, ich war der Verteidiger von Ronald Thompson. Ich habe miserable Arbeit geleistet.«
»Es ist nicht Ihre Schuld, daß Ron Thompson verurteilt wurde«, sagte Steve. Er sah den jungen Mann nicht an, sondern starrte auf sein Steak, an dem der eben noch brutzelnde Fettstreifen am Rand bereits erstarrte. Er schob den Teller beiseite. Hatte Hugh recht? War die Entführung doch ein Schwindel?
»Mr. Peterson, Ron hat Ihre Frau nicht getötet. Er wurde verurteilt, weil die meisten Geschworenen, bewußt oder unbewußt, davon ausgingen, daß er auch die kleine Carfolli und Mrs. Weiss getötet hatte.«
»Er war vorbestraft.«
»Eine Jugendstrafe, ein einziger Vorfall.«
»Er hatte schon einmal ein Mädchen angegriffen und gewürgt…«
»Mr. Peterson, er war ein fünfzehnjähriger Junge, der auf einer Party in einen Biertrinkerwettstreit geriet. Welcher Junge tut das nicht irgendwann einmal in der Schulzeit.
Als er völlig betrunken war, steckte ihm jemand Kokain zu. Er wußte nicht, was er tat. Er kann sich beim besten Willen nicht erinnern, daß er das Mädchen angefaßt hat. Wir alle wissen, was Drogen in Verbindung mit Alkohol im Gehirn anrichten. Ron war ein Junge, der das verdammte Pech hatte, schon in der ersten und einzigen Nacht, in der er sich betrank, in ernsthafte Schwierigkeiten zu geraten. In den zwei Jahren danach hat er nicht einmal Bier angerührt. Und dann hatte er das unglaubliche Pech, in Ihr Haus zu kommen, kurz nachdem Ihre Frau ermordet wurde.«
Bob sprach mit zitternder Stimme; seine Worte überstürzten sich fast. »Mr. Peterson, ich habe das Verhandlungsprotokoll studiert. Dann ließ ich Ron gestern immer und immer wieder im einzelnen wiederholen, was er in der Zeit, die zwischen der Unterhaltung mit Mrs.
Peterson in Timberlys Lebensmittelgeschäft und dem Auffinden ihrer Leiche lag, gesagt oder getan hat. Und ich entdeckte, daß ich einen Fehler gemacht habe.
Mr. Peterson, Ihr Sohn Neil hat ausgesagt, er sei die Treppe heruntergekommen, als er Ihre Frau keuchen hörte, er habe einen Mann gesehen, der sie erdrosselte, und dann das Gesicht des Mannes…«
»Das Gesicht von Ronald Thompson.«
»Nein! Nein! Begreifen Sie denn nicht? Hier, sehen Sie sich das Protokoll an.« Bob warf seine Aktentasche auf den Tisch, zog ein dickes Bündel Papiere hervor und blätterte rasch die Seiten durch. Ungefähr in der Mitte fand er, was er suchte. »Hier ist es. Der Ankläger fragte Neil, warum er so sicher sei, daß es Ron war. Und Neil antwortete: >Das Licht ging an, deshalb weiß ich es genau.<
Und hier ist mir etwas entgangen. Als Ron gestern seine Aussage wiederholte, sagte er, daß er an der Haustür geläutet habe. Dann habe er ein paar Minuten gewartet und noch einmal geläutet. Neil erwähnte die Haustürglocke mit keinem Wort.«
»Das beweist nichts«, unterbrach Hugh. »Neil war oben und spielte mit seiner Eisenbahn.
Er war vermutlich ganz ins Spiel vertieft, und die Züge fahren ja nicht geräuschlos.«
»Nein. Nein. Er sagte: >Das Licht ging an.< Mr. Peterson, ich sehe es so. Ron läutete am Vordereingang. Er wartete und läutete noch einmal; dann ging er ums Haus herum. Er gab dem Mörder Zeit zur Flucht. Deshalb stand die Küchentür offen.
Ron machte in der Küche Licht. Begreifen Sie jetzt? Weil aus der Küche Licht fiel, konnte Neil Rons Gesicht deutlich erkennen. Mr. Peterson, ein kleiner Junge kommt die Treppe heruntergelaufen und sieht, wie seine Mutter erwürgt wird. Das Wohnzimmer war dunkel.
Erinnern Sie sich! Nur das Licht in der Halle brannte. Wäre es nicht möglich, daß er eine Art Schock erlitt, daß er vielleicht sogar ohnmächtig wurde? Auch bei Erwachsenen hat man das schon erlebt. Als er wieder zu sich kommt, sieht er - sieht er! -, denn jetzt fällt das Licht aus der Küche ins Wohnzimmer. Er sieht jemand, der sich über seine Mutter beugt und an ihrem Schal zerrt. Ron versuchte ihr den Schal abzunehmen, aber es war unmöglich, da der Knoten zu fest saß. Er erkannte, daß sie tot war und in welcher Situation er sich befand. In panischer Angst rannte er davon.
Wenn er ein Mörder wäre, hätte er dann einen Augenzeugen wie Neil zurückgelassen? Hätte er Mrs. Perry am Leben gelassen, von der er wußte, daß
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