Gnadenfrist
Kohorte gepaßt.«
Das sollte ein Witz sein, aber Petros Wutausbruch hatte ein schlechtes Gefühl hinterlassen. Jetzt standen alle unter Druck. Der Gedanke, jemand aus der Vierten könnte durchdrehen, schmeckte mir gar nicht. Hoffentlich keiner von Petronius’ Männern – und vor allem Petro selbst nicht.
Nonnius’ Sklavenjunge bekam die Häuser einiger Gangsterbosse vorgeführt, damit konnte man sie zumindest als Rivalen im Kampf um das Balbinus-Imperium ausschließen; er erkannte keines davon. Er bekam »Platons Akademie« gezeigt; immer noch nichts. Dann wurde er gebeten, sich die hübschen Villen von Flaccida und Milvia anzusehen. Als erstes kam Milvias Haus, und er war sich nicht sicher. Doch das von Flaccida erkannte er auf Anhieb wieder.
Er war acht Jahre alt, stand immer noch unter Schock und brachte vor Angst nichts Vernünftiges heraus. Seine Aussage vor Gericht zu verwenden, war ausgeschlossen, selbst wenn das Gesetz es erlaubt hätte. Nach der geltenden Regelung konnten wir ihn nur zitieren, wenn er seine Aussage unter der Folter gemacht hätte. Petro entschied sich dagegen. Ein Blick auf Sergius und seine glühenden Zangen, und dieses zarte Vögelchen hätte vollends den Verstand verloren.
Außerdem war die Geschichte des Jungen nicht stichhaltig genug. Ein Verteidiger hätte sie glatt in der Luft zerfetzt. Nonnius war nicht von Flaccida entführt worden, sondern von Männern, die wir bisher nicht identifizieren konnten. Der Sklavenjunge konnte uns keine Beschreibungen geben. Petronius war nicht in der Lage, jemanden zu verhaften. Obwohl wir nicht beweisen konnten, daß Flaccida daran beteiligt war, wußten wir zumindest eins: Nonnius Albius war in ihrem Haus ermordet worden. Was die Arbeit an diesem Fall endlich leichter machte.
»Und was hast du jetzt vor?« fragte ich Petro, als wir zum Wachlokal zurückgingen. »Willst du Flaccida verhören?«
»Das hast du doch bereits getan, Falco.«
»Ich habe sie nicht ins Schwitzen bringen können. Und wir hatten auch noch nichts in der Hand, was Nonnius’ Ende betraf. Ich konnte sie nicht mit einem Zeugen erschrecken.«
»Das kann ich auch nicht.« Petronius war Realist.
»Also läßt du ihre Büste auf dem Sockel?«
Er blieb an einer Straßenecke stehen und kratzte sich am Hals. Mit der Hand fuhr er am Kragenrand der Tunika entlang, als würde der ihn einengen. Doch ihn irritierte etwas anderes. Petro konnte es auf den Tod nicht leiden, Verbrecher ungeschoren davonkommen zu lassen.
»Die Büste kann ruhig stehen bleiben – aber ich werde sie mit ein paar Steinen bewerfen. Wir müssen uns Flaccida vorknöpfen, allerdings indirekt. Vergiß Nonnius. Für den kriege ich Flaccida schon eines Tages dran. Genau wie für Alexander, wenn du mich auch jetzt noch nicht fragen darfst, wie.« Er hatte offensichtlich einen Entschluß gefaßt. »Bei den Mordfällen haben wir einen Fortschritt gemacht. Jetzt müssen wir uns wieder den Diebstählen im Emporium und den Saepta zuwenden, Falco. Wollen doch mal sehen, ob wir dem hübschen syrischen Glas deines Vaters nicht auf die Spur kommen können.«
Da ich ihn gut genug kannte, wußte ich, was er vorhatte. »Du meinst, unser Ausflug ins Bordell ist inzwischen vergessen, und du kannst mich in ein neues Abenteuer reinziehen.«
»Genau. Kämm dir die Haare, Falco. Du und ich werden den Nachmittag damit verbringen, wie dekadente Müßiggänger mit der lieblichen kleinen Milvia zu plaudern!«
XLVII
Milvia war zu Hause. Was meinen vorherigen Eindruck bestätigte: Ihr Leben war einsam. Offenbar ging sie nur selten aus. Diesmal hatte ihr Zuhausebleiben dem glücklichen Mädchen unsere illustre Gesellschaft beschert.
»Ich werde zu alt für so was«, witzelte ich, während wir warteten, daß ihr die glückliche Botschaft überbracht wurde. Zweifellos wollte sie daraufhin rasch ihr hübschestes Kleidchen überziehen.
»Du hast nur vergessen, wie es geht. Mach mir einfach alles nach.«
Wir setzten uns aufrecht und versuchten, wie ehrbare Bürger auszusehen, als Milvia hereintrippelte.
Sie schien hocherfreut, uns zu sehen. Als sie reingerauscht kam, von gefältelten weißen Stolen und flatternden Bändern umweht, fiel mir wieder auf, was für ein hübsches Mädchen sie war. Dieser Besuch war auf jeden Fall erfreulicher als ein Schlagabtausch mit ihrer Mutter, der harten Nuß. Natürlich hatten wir nicht allzuviel Vertrauen zu Milvia; in unserer Jugend hatten eine Menge kulleräugiger, aufrichtig schauender
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