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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Anstalten, sich loszureißen; Prostituierte versuchen stets, Verletzungen zu vermeiden. Ich sah ihr voll ins Gesicht. »Balbinus ist in Rom.«
    Ihre hübschen Augen wurden schmal. Es ließ sich unmöglich sagen, ob sie das zum ersten Mal hörte oder mir nur diesen Eindruck vermitteln wollte. Ihr Mund verzog sich. »Eine schlechte Nachricht.«
    »Für alle. Ist jemand von den Vigiles hier gewesen?«
    »Nicht, seitdem Sie und Ihr langer Freund hier waren.« Solange es um Fakten ging, hatte ich das Gefühl, ihr glauben zu können. Das konnte natürlich auch ein Trick sein.
    »Verstehen Sie, was das bedeutet?«
    »Nicht so ganz. Balbinus ist verurteilt. Was kann er schon groß anstellen, Falco?«
    »Eine ganze Menge, würde ich sagen. Die Vierte Kohorte hat sich fast überschlagen, um rauszufinden, wer seine Position zu übernehmen versucht – dabei war da niemand. Alles, was in letzter Zeit passiert ist, könnte von ihm gesteuert sein.«
    »Zum Beispiel?«
    »Der Überfall auf das Emporium und auf die Saepta. Die Morde. Davon haben Sie doch sicher gehört?«
    »Morde? Wer ist denn ermordet worden?« murmelte sie absichtlich provozierend.
    »Stellen Sie sich doch nicht blöd.«
    Äußerlich war ihr nichts anzumerken; sie spielte weiterhin die höfliche Kurtisane. Aber sie sagte, ohne die Tonlage zu verändern: »Wenn Sie schon nicht dafür zahlen wollen, daß Sie mich mißhandeln, dann lassen Sie wenigstens mein Handgelenk los!«
    Ich warf ihr einen Blick zu, öffnete dann abrupt die Hand und spreizte die Finger. Sie wartete einen kurzen Moment, bevor sie den Arm zurückzog.
    »Ich möchte mit Ihnen über Balbinus reden«, sagte ich.
    »Und ich nicht.«
    Ich musterte sie aufmerksam, sah hinter ihr elegantes Äußeres, die kunstvoll aufgetragene Schminke auf Augenlidern und Wimpern, die Verlockung ihres lasziven Körpers. Um die melancholischen, ruhigen brauen Augen hatten sich kleine Fältchen und dunkle Schatten gebildet. »Sie sind müde. Und das Bordell ist heute morgen sehr ruhig. Was ist los, Lalage? Müssen Sie nachts Überstunden machen? Warum? Nimmt jemand Sie aus? Kann es sein, daß die ›Laube der Venus‹ weniger Gewinn abwirft, weil Sie schon wieder ein Direktorengehalt zahlen müssen?«
    »Sie brauchen ein kaltes Bad, Falco.«
    »Sie verblüffen mich. Ich dachte. Sie genießen Ihre Unabhängigkeit, Gnädigste. Und ich muß zugeben, ich habe Sie dafür bewundert. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß Balbinus einfach auftaucht, einen Anteil will und Sie freiwillig zahlen.«
    »Aber kein Gedanke! Ich würde ihm noch nicht mal ein halbes As geben, und wenn er noch so dringend aufs Klo müßte. Balbinus kann mich nicht mehr unter Druck setzen. Er ist verbannt worden. Falls er in Rom ist, muß er sich verstecken, sonst ist er dran.«
    »Zur Hinrichtung«, stimmte ich zu und schob sofort einen Angriff nach. »Sie verstecken ihn also nicht hier im Haus?«
    Sie lachte.
    Ich beschloß, ihre Version zu akzeptieren. Ich hatte ihr geglaubt, als sie davon sprach, das Bordell ohne Beschützer zu führen. »Sie sollten die Sache aber trotzdem nicht auf die leichte Schulter nehmen«, warnte ich. »Irgend jemand hilft ihm. Wenn Sie es nicht sind, dann fallen Sie unter die andere Kategorie.«
    »Und die wäre, Falco?«
    »Seine Feinde.«
    Eine Pause entstand. Lalage war schon immer intelligent gewesen, Klassenbeste in der Schule; zufällig wußte ich das. Schließlich raunte sie: »Damit spielen Sie wieder auf die Morde an.«
    »Nonnius Albius«, bestätigte ich. Von seinem Ende mußte sie bereits wissen. »Und der Arzt, der Nonnius überzeugt hat, daß er dem Tode nahe ist und ihn so dazu gebracht hat, Balbinus zu verraten. Das war übrigens eine Fehldiagnose. Die Vigiles haben ihn reingelegt.«
    Ich hatte gehofft, ihr durch diesen Schock etwas Enthüllendes zu entlocken, statt dessen verblüffte mich Lalage. Wieder lachte sie, wenn auch etwas bitter. »Nicht ganz«, sagte sie. Entzückt über mein Erstaunen, reckte sie sich genüßlich wie ein Panther; das kam ganz automatisch, war nicht verführerisch gemeint, aber ich mußte mich schwer beherrschen. Sie lächelte verschlagen. »Es wär ein Trick gewesen, wenn Nonnius nichts davon gewußt hätte.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Nonnius wußte von Anfang an, daß die Vierte Kohorte den Arzt geschickt hatte, um ihn zu belügen.«
    Zum Glück redete Petronius Longus nicht mehr mit mir, damit würde es mir erspart bleiben, ihm diese deprimierende Neuigkeit

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