Gnadenfrist
den Bündeln ausrutschte.
Unsere eigenen Pakete waren bereits mit Maultieren nach Ostia gebracht worden. Ich hatte eine Passage auf einer Tiberbarke gebucht, die heute ablegen sollte. Jetzt war ich nervös wegen Papas verdammtem Glas. Ich hatte keine Lust, für den Rest meines Lebens als der Sohn verspottet zu werden, der den Gegenwert von zweihunderttausend Silberstücken zerdeppert hatte. Die Sache mußte richtig angepackt werden.
Petronius zeigte ein gewisses Mitgefühl; er war ein treuer Freund. Aber ihm fehlte das brennende Interesse, das ich hatte, und das konnte ich ihm nicht vorwerfen. Ich fand es schon schwer genug, mich derart für den Gewinn eines anderen Mannes zu interessieren. Nur Helenas Stolz auf die Durchführung ihres Auftrages hielt mich bei der Stange.
Es fiel uns schwer, ein Transportmittel zu finden. Wir wollten das Glas durch den Kanal zum alten Hafen befördern. Irgendein Idiot (ich) hatte das für den besten Weg gehalten. Aber niemand war bereit, uns ein Boot zu vermieten. Nach zwei Stunden fruchtloser Versuche ließ mich Petro auf der Mole zurück, meinte, ich solle weiter nach einem Boot Ausschau halten, während er sich an die Hafenbeamten wenden und ganz nebenbei seine offizielle Position erwähnen würde, in der Hoffnung, uns so verläßliche Ruderer zu beschaffen.
Er blieb so lange weg, daß ich annahm, er sei ohne mich frühstücken gegangen. Wenn ich Glück hatte, brachte er mir vielleicht ein zerdrücktes Brötchen mit einer schlappen Käsescheibe und einer Viertelolive mit. Aber so wie ich ihn kannte, würde der Schuft pfeifend zurückkommen und gar nichts sagen. Na prima. Die Kisten mit dem Glas waren aus der Providentia ausgeladen worden und standen am Kai, also mußte ich bleiben.
Ich hatte die Schnauze voll. Ich versuchte mich auf einen Poller zu setzen, aber die Dinger sind nicht zum Ausruhen menschlicher Hinterteile konstruiert. Während die Möwen spöttisch kreischten, verfluchte ich meinen Vater bis zum Hades und zurück und ließ sogar Petronius nicht ungeschoren. Ich verschwendete hier nur meine Zeit, dabei lag noch ein voller Tag in Rom vor mir. Petros Kapriole mit dem Verbrecher hatte Helena und mich unserer so sehnsuchtsvoll erwarteten ersten gemeinsamen Nacht im eigenen Bett beraubt. Papa, die Füße bequem auf ein Lampentischchen gelegt, hatte mir mitgeteilt, er sei »ein bißchen zu beschäftigt«, um nach Ostia zu fahren. Also blieb es mir überlassen, seine Waren, die mir schon genug Ärger gemacht hatten, abzuholen. So wie ich ihn kannte, würde er außerdem Helena die ihr zustehende Provision verweigern. Vorausgesetzt, das dumme Mädel hatte überhaupt daran gedacht, mit ihm eine Provision auszumachen.
Ich war drauf und dran, das ganze Glas mit Fußtritten in das Hafenbecken zu befördern, als sich die Parzen meiner erbarmten. Zwei Männer in einem robusten Boot winkten mir zu und fragten, ob sie meine Waren befördern sollten. Ich war begeistert, aber nach sechs Jahren als Privatermittler behandelte ich das Angebot natürlich mit Vorsicht.
Höflich und kühl stellte ich ihnen ein paar Fragen. Zum Glück gaben sie die richtigen Antworten: Sie waren Mitglieder der Ruderergilde und Besitzer eines eigenen Bootes. Sie sahen wie zwei Jungs aus, die ihr Geschäft verstanden. Ihre Namen, auf deren Nennung ich bestand, waren Gaius und Phlosis. Wir einigten uns auf einen Preis, und sie luden die kostbaren Kisten mit all der Vorsicht ein, die ich verlangte. Es waren eine Menge Kisten. Als sie fertig waren, teilten sie mir entschuldigend mit, daß das Boot mich leider nicht mehr mitnehmen konnte. Es schien ziemlich tief im Wasser zu liegen.
Wenn ich die Barke noch erwischen wollte, wurde die Zeit jetzt knapp. Gaius und Phlosis schienen so besorgt, ich könne annehmen, sie wollten meine Güter stehlen, daß ich widerstrebend einwilligte, sie ohne mich nach Ostia rudern zu lassen, während ich einen der Mietkarren nahm. Wir würden uns bei der Barke treffen; sie schlugen vor, daß ich sie erst dann bezahlen sollte. Dieser Beweis ihrer Aufrichtigkeit machte den Handel perfekt.
Müde und zufrieden, weil ich das Ganze ohne Petros Hilfe, der in solchen Dingen sehr hochnäsig sein konnte, hingekriegt hatte, war ich bereit, allem einigermaßen vernünftig Klingenden zuzustimmen. Ich winkte ihnen hinterher.
Ich stand noch auf dem Kai und hielt nach meinem Freund Ausschau, da bemerkte ich ein weiteres Ruderboot. In ihm saß Petro, der irgendwo Fusculus aufgegabelt haben
Weitere Kostenlose Bücher