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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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passieren. Mit beiden Händen versuchte Cassius, den Schlüssel in dem rostigen Schloß zu drehen. Doch es ging nicht. Dann entdeckten wir, daß man die Tür an der anderen Seite wegstemmen und sich durch die Spinnweben, die als Türangeln gedient hatten, hindurchzwängen konnte.
    Drinnen war es sehr dunkel. Cassius stapfte mutig zum Fenster und klappte einen der Fensterläden auf; er fiel ihm aus der Hand. Cassius fluchte, als das schwere Holzding Splitter in seinen Fingern zurückließ, ihm das Bein aufschürfte und zu Boden krachte.
    »Ehrlich gesagt«, entschied Helena sofort, »scheint mir das Ganze ein bißchen zu elegant für uns!«
    Es kam überhaupt nicht in Frage. Tief deprimiert bestand ich darauf, mir alles anzusehen.
    »Wer wohnt hier drüber, Cassius?«
    »Niemand. Die anderen Wohnungen sind noch schlimmer als diese. Trotzdem habe ich heute nachmittag eine alte Stadtstreicherin hier rumschnüffeln sehen.«
    Noch schlimmer! Das Letzte, was wir brauchten, waren Obdachlose und Bettler als Nachbarn. Wo ich doch gerade versuchte, ehrbar zu werden.
    Ganze Stücke Putz hatten sich von den Wandverstrebungen gelöst, die gefährlich schief wirkten. Der Fußboden senkte sich jedesmal um mehrere Fingerbreit, wenn wir vorsichtig auf eines der Dielenbretter traten. Die Trägerbalken schienen zu fehlen. Da diese Träger das ganze Gebäude zusammenhielten, war damit nicht zu spaßen. Sämtliche Zimmertüren fehlten. Ebenso, wie Lenia mich schon gewarnt hatte, der Fußboden in den hinteren Zimmern.
    »Was ist denn das da unten?«
    »Mein Holzvorrat«, sagte Cassius. Genau. Wir konnten durch seine Decke hindurch die Holzkloben sehen. Was bedeutete, daß jeder, der darüber wohnte, hörte, wie Cassius seinen Ofen vor Sonnenaufgang rumpelnd mit frischem Holz bestückte.
    Das Ding war eine Ruine. Wir würden Smaractus nicht um einen Mietvertrag bitten. Cassius verlor das Interesse und widmete sich seinem Bein, das inzwischen stark blutete. »Ist das dein Hund da draußen, Falco?«
    »Natürlich nicht. Schmeiß ihm einen Stein nach.«
    »Es ist eine Hündin.«
    »Trotzdem gehört sie nicht mir – und daran wird sich auch nichts ändern!«
    Helena und ich blieben noch, waren zu enttäuscht, um uns von der Stelle zu rühren. Sie sah mich an. Sie wußte genau, warum ich mich nach Wohnungen umschaute, aber bevor sie nicht zugab, daß sie schwanger war, konnte sie mit mir nicht darüber diskutieren. So hatte ich endlich mal die Oberhand.
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    »Wieso? Ist doch nichts passiert.«
    »Ich hatte gehofft, diese Bruchbude wäre schon so lange auf dem Markt, daß Smaractus sie mir für ein Lächeln überläßt.«
    »Ach, er wäre sicher begeistert, einen Mieter zu finden!« Helena lachte. »Können wir die Wohnung reparieren? Du bist doch so praktisch veranlagt, Marcus.«
    »Jupiter! Hier sind größere Umbaumaßnahmen angesagt. Das übersteigt meine Fähigkeiten.«
    »Ich dachte, du liebst Herausforderungen?«
    »Vielen Dank für das Vertrauen! Das ganze Haus müßte abgerissen werden. Ich weiß nicht, wie Cassius das aushält. Er setzt hier jeden Tag sein Leben aufs Spiel.« Wie so viele andere Römer.
    »Zumindest hätten wir immer frisches Brot«, sinnierte Helena. »Wir könnten einfach durch den Fußboden greifen, ohne aus dem Bett zu müssen …«
    »Nein, wir können nicht über einer Bäckerei wohnen. Abgesehen von der Feuergefahr …«
    »Der Ofen steht auf der Straße.«
    »Und dazu die Mühle, mit dem ständigen Gerümpel der Mühlsteine und dem Schreien des verdammten Esels! Mach dir nichts vor, Süße. Denk bloß an den Geruch. Brot geht ja noch, aber wenn Cassius damit fertig ist, benutzt er die Öfen, um für die ganze Straße Pasteten aus Fleischresten in ekliger Soße zu backen. Ich hätte daran denken sollen.«
    Helena war zum Fenster hinübergegangen. Sie stand auf Zehenspitzen, lehnte sich hinaus und wechselte das Thema. »Mir gefällt dieser Ärger zwischen dir und Petronius nicht.«
    »Es gibt keinen Ärger.«
    »Wird es aber.«
    »Ich kenne Petro schon so lange.«
    »Und es ist lange her, seit ihr zusammengearbeitet habt. Das war damals bei der Armee, und ihr bekamt beide Befehle von einem anderen.«
    »Ich kann gehorchen. Mach ich doch bei dir dauernd.«
    Sie schnaubte nur. Ich trat zu ihr ans Fenster, lenkte sie ab mit einem Schubsen, das sie aus dem Gleichgewicht bringen sollte. Um nicht umzufallen, legte sie den Arm um mich und ließ ihn entspannt dort, während wir beide

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