Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
heimlichtuerischen Kreis bewegten, einem Kreis, vor dem man das Kind abgeschirmt hatte, fiel es ihr sicher nicht leicht, Bekanntschaften zu schließen. Ihr Mann kümmerte sich wenig um sie. Ihr gemeinsames Gesellschaftsleben war zweifellos äußerst dürftig. Hätten wir ihr glauben können, daß sie wirklich nichts von der Welt ihres Vaters wußte, hätten wir vielleicht Mitleid mit der jungen Frau empfunden.
    Selbst mir gelang ein Lächeln, als Helena mir den Krug zeigte. »Sie sind sehr großzügig. Das ist ein schönes Stück. Haben Sie es in Rom gekauft?«
    »Ein Freund der Familie hat es meinem Mann geschenkt.«
    »Jemand mit ausgezeichnetem Geschmack. Wer war es?« Ich sprach obenhin, als ich Helena den Krug abnahm.
    »Ach, irgendein Gönner. Ich weiß seinen Namen nicht.«
    »Wird Ihr Mann nicht böse sein, wenn Sie den Krug einfach weggeben?«
    »Er schien ihn nicht sonderlich zu mögen. Wir haben ihn noch nicht lange«, erwiderte Milvia.
    Etwa zwei Tage, vermutlich. Ich beschloß, sie nicht weiter zu drängen, bevor ich nicht mit Petronius gesprochen hatte, aber früher oder später würde die arglose kleine Milvia uns den Namen des Gönners nennen müssen. Wenn Petro sah, was sie uns da so fröhlich übergeben hatte, würde er ihr Haus vermutlich nach mehr durchsuchen wollen – und zwar nicht, weil er ihren Geschmack für Weingefäße bewunderte.
    Was ich da so vorsichtig in der Hand hielt, war ein zarter Wasserkrug in durchscheinendem Weiß, um den sich feine dunkelblaue Spiralen rankten; er hatte einen aus zwei Glassträngen gedrehten Griff und eine leicht eingekniffte Tülle.
    »Sehr schön«, wiederholte Helena. »Ich würde sagen, es ist syrisches Glas. Was meinst du, Marcus Didius?«
    »Zweifellos.« Ich hätte noch mehr dazu sagen können. Wenn es keine Doublette war, handelte es sich um eines der Stücke, die Helena in Tyrus für meinen Vater gekauft hatte; eines, das beim Überfall auf das Emporium abhanden gekommen war.
    Normalerweise hätte ich einem Fremden nicht erlaubt, Helena Justina ein Geschenk zu machen. Hier war es etwas anderes. Als wir gingen, nahmen wir den Krug mit.

XXXV
    »Siehst du, so macht man das«, verkündete Helena stolz, als wir den Aventin hinauf zurück zur Brunnenpromenade gingen.
    »Ich bin schwer beeindruckt! Hätte ich nur bei der Mutter die gleiche Taktik angewendet – wer weiß, welchen Luxus wir noch für zu Hause abgestaubt hätten!« Ich ließ es so klingen, als fände ich ein Geschenk von Flaccida ekelhaft.
    Helena wich einer Reihe Kübel aus, die im Portikus eines Ladens hingen. »Unsere Entdeckung war ein Zufall, das gebe ich zu. Ich bin ja nicht unvernünftig.«
    »Du bist ein Schatz.«
    »Aber ich habe mehr rausgekriegt als du.«
    »Du hast gar nichts rausgekriegt, Helena! Die Mutter hat sich geweigert, uns zu helfen; die Tochter hat mit den Wimpern geklimpert, versprochen, uns zu helfen, und dann behauptet, sie wüßte von nichts. Unterschiedliche Taktiken; das gleiche nutzlose Ergebnis.«
    »Sie schien die Wahrheit zu sagen, Marcus. Sie kann nicht gewußt haben, daß der Wasserkrug gestohlen war.«
    »Sie kann nicht gewußt haben, daß man ihn uns gestohlen hatte!« korrigierte ich sie. Ich klang wie ein alter, pedantischer Paterfamilias. Helena hüpfte vom Randstein und lachte mich aus.
    Ich konnte nicht hüpfen. Ich trug den gestohlenen Krug.
     
    Während Helena zu Maia ging, unser Findelkind holte und sich erkundigte, ob Tertulla wieder aufgetaucht war, brachte ich den Krug ins Wachlokal und führte dort das prächtige Stück vor. Petro nahm das Kunstwerk in seine große Pfoten, während ich Blut und Wasser schwitzte vor Angst, er könne es fallen lassen. »Was ist das?«
    »Ein Geschenk von Milvia. Als ich den Krug zum letzten Mal sah, gehörte er Papa.«
    »Du hast Milvia verhört? Das war schnell. Ich habe Porcius gerade zu dir rübergeschickt.«
    »Ich arbeite eben fix«, sagte ich obenhin, ohne zu erwähnen, daß ich meine eigene Zeugin mitgenommen hatte. »Das Mädchen behauptet, sie und Florius hätten es als ›Geschenk von einem Gönner‹ bekommen.«
    »Glaubst du ihr?«
    »Mädchen zu glauben, habe ich aufgegeben, als ich vierzehn war.«
    Mein alter Freund war nicht der Mann, der irgend etwas übereilte. Er dachte in aller Ruhe darüber nach. »Dieser Glaskrug gehört zu den Sachen, die Geminus gestohlen wurden. Jetzt taucht er bei Milvia und Florius auf, aber wir wissen nicht, wie er dahin gekommen ist.«
    »Es ist immer noch möglich,

Weitere Kostenlose Bücher