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Gnadenfrist

Titel: Gnadenfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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schien. Seine Stimme war rauh, sein Ton arrogant. Sein Freund brauchte nicht zu reden. Der Riese mußte nur dastehen und seine Fingerknöchel knacken lassen, das reichte als erfolgreicher Beitrag zu dieser Unterhaltung.
    Es gelang mir, den Griff des Babys zu lockern und ein wenig Luft zu schnappen. »Was wollen Sie?«
    »Mit Ihnen reden.« Daß sie mir lieber die Rippen eingetreten hätten, war eindeutig. Der Kleinere spuckte genüßlich in eine Schüssel mit frisch gepellten harten Eiern. Widerliche Kerle. Helena schäumte, und er grinste sie an.
    Er war wirklich sehr klein. Kein Zwerg; alles perfekt proportioniert, aber mindestens einen Fuß kleiner als der Durchschnitt. Bei einer Statue wäre sein Problem nicht aufgefallen, doch selbst seine Mutter würde keine Statue dieses Schurken in Auftrag geben. Den breiten Bronzearmreifen an den Oberarmen nach hätte er es sich allerdings durchaus leisten können. Und seine protzigen Siegelringe sahen eher wie Wucherungen statt wie Schmuck aus.
    »Wer hat euch geschickt?«
    »Das geht Sie nichts an.«
    »Ich werd’s schon rausfinden.« Mit einem Blick zu Helena meinte ich: »Irgendwas sagt mir, Liebes, daß wir heute jemanden vergrätzt haben!«
    »Sie vergrätzen uns!« bemerkte der Kleine.
    »Und das werden Sie in Zukunft sein lassen!« knurrte der Riese. Seine Stimme war ein tiefes Rumpeln; die Erinnerung an das Vergnügen, Menschen zu foltern, die seine Worte mißachteten, war unüberhörbar. Ein geschorener Schädel und unreine Haut waren die Abzeichen seiner Brutalität. Massive Schultern sprengten fast das dünne Material seiner abgetragenen Tunika. Beim Sprechen zeigte er gern seine erstaunlich weißen Zähne. Er füllte den Raum fast aus.
    »Was sein lassen?« erwiderte ich freundlich. »Welche Gruppe abgewrackter Schmierlappen vertretet ihr hier eigentlich genau?«
    Ich sah, wie Helena verzweifelt die Augen schloß und dies für die falsche Vorgehensweise hielt. Sich unterwürfig zu entschuldigen, hätte auch nichts gebracht. Das war mir klar. Die Männer wollten Schrecken verbreiten, und sie würden nicht gehen, bevor wir nicht verängstigt in der Ecke hockten. Sie würden uns mit Freude Schmerz zufügen. Mit der Verantwortung für eine schwangere Frau, einen ungeübten Rekruten und ein Baby mußte ich vor allem dafür sorgen, daß sie sich auf mich konzentrierten.
    Sie waren zu zweit und wir zu dritt, aber kräftemäßig waren sie uns überlegen. Ich sah keine Möglichkeit, uns aus der Klemme zu befreien, aber ich mußte es versuchen. Am liebsten hätte ich mir als erstes den Zwerg vorgeknöpft, aber es war nicht genug Platz; mein Aktionsradius war begrenzt.
    Ich sagte: »Ich glaube, ihr solltet jetzt gehen.« Dann reichte ich Porcius das Baby und machte mich bereit, als der Große auf mich zukam.
    Es war, als würde mich ein Altarstein auf Beinen attackieren. Als hätte ich eine Marmorplatte in die Weichteile bekommen. Er nahm mich in den Schwitzkasten. Sein Griff war unerträglich, und dabei strengte er sich noch nicht mal an.
    Wieder brüllte das Baby. Der kleinere Mann wirbelte herum zu Helena. Er packte sie. Porcius brachte das Baby auf dem Balkon in Sicherheit, sprang dann Helenas Angreifer von hinten an und versuchte, ihn von ihr wegzuziehen. Porcius’ Gebrüll hätte Hilfe herbeirufen sollen, wenn einer meiner Mitmieter der Typ gewesen wäre, einen Mord in unmittelbarer Nähe zu bemerken. Sie waren alle taub. Wir mußten allein damit fertig werden.
    Das Gerangel der anderen lenkte meinen Angreifer etwas ab. Ich drückte meine Ellbogen so weit nach außen, daß ich mit den Händen nach unten greifen konnte. Ich drückte fest zu. Mit beiden Händen. Der Riese verzog das Gesicht zu einer ärgerlichen Grimasse, aber sonst hatte mein Versuch, seine Manneszier zu zerquetschen, keine erkennbare Wirkung. Jetzt ging es mir an den Kragen. Ohne jede Mühe hob er mich hoch. Er hätte mich über den Kopf gehoben, aber das Zimmer war zu niedrig. Mit einer langsamen Drehung machte er sich daran, mich statt dessen gegen die Wand zu schleudern. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Porcius rückwärts taumelte; er hatte den Kleineren von Helena weggezerrt. Beide prallten gegen uns; der Riese änderte seine Meinung, wollte mich nun nicht mehr zur Wanddekoration machen; Porcius und sein Gegner stolperten zurück.
    Der Riese hatte seinen Griff nicht gelockert, schwang mich nun in die andere Richtung. Jetzt sollte ich ihm als Waffe dienen; er hatte vor, mich als Rammbock zu

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