Gnadenfrist
wird sie nach kurzer Zeit freiwillig zurückgeben.«
»Mach keine Witze darüber«, schimpfte Helena und kam damit Maia nur um einen Atemzug zuvor.
Seufzend versprach ich, einen Plan für die Suche aufzustellen. Helena und meine Schwester sollten schon mal eine Beschreibung für die Vigiles verfassen. So konnten wir die Patrouillen in die Suche miteinbeziehen.
Ich hätte mehr Enthusiasmus gezeigt, aber ich versuchte zu verbergen, daß ich Schmerzen hatte und einer Panik nahe war. Mein linker Arm hing immer noch schlaff herunter. Ich befürchtete, daß mir der Riese dauerhaften Schaden zugefügt hatte. Endlich bemerkte Porcius, daß ich nicht ganz bei der Sache war. »Oh, Falco! Du hast ja ordentlich was abgekriegt – irgendwas ist mit deinem Schlüsselbein.«
Ich hob die Augenbraue. Wenigstens die funktionierte noch. »Bist du ein Doktor?«
Porcius sagte: »Verletzungen erkennen war das erste, was wir in der Ausbildung bei den Vigiles gelernt haben.«
Helena war bedrückt, vor allem, weil ihr mein Problem nicht als erster aufgefallen war. Porcius sagte, er würde Scythax holen, den Arzt der Kohorte, damit er sich das mal anschaute. Plötzlich wurde ich wie ein Invalide behandelt. Als Helena ins Schlafzimmer ging, um eine Decke zu holen, die sie mir umlegen konnte, erklärte ich Porcius leise, daß wir den Eindringlingen folgen und rauskriegen sollten, wer sie waren.
Porcius wirkte nicht begeistert, doch dann lächelte er. Er war groß, gut gebaut, und seine Haut schimmerte rosig unter der Bräune. Der Kampf und seine Rolle dabei schienen sein Selbstvertrauen gestärkt zu haben. »Ich glaube, ich weiß, wer die sind«, versicherte er mir. »Ich hab sie zwar noch nie gesehen, aber ich wette, das waren der Müller und Klein-Ikarus.«
Also hatte ich recht gehabt. Ich war jemandem auf die Zehen getreten – jemand, der das gar nicht schätzte. Das Problem mit Tertulla würde warten müssen. Das hier war wesentlich ernster.
XXXVII
Porcius ging los, um Scythax zu holen und Petronius zu berichten.
Vorher hatten wir noch kurz über die neuesten Entwicklungen gesprochen. »Wenn du recht hast, und ich vertraue deinem Urteil total, Porcius« – er errötete glücklich –, »wissen wir jetzt, daß zwei von Balbinus’ Männern wieder in Rom sind. Was wahrscheinlich bedeutet, daß sie alle zurück sind.«
»Das macht sie zu Verdächtigen für den Überfall auf das Emporium«, meinte der junge Rekrut. Ein helles Köpfchen. Gutes Material. Sogar nach einem Kampf sammelte er noch Beweise.
Ich dachte laut nach: »Bei dem Gespräch mit Lalage bin ich mit Petro als Mitglied der Kohorte aufgetreten. Sie hat keinen Grund, mir eine Spezialbehandlung zukommen zu lassen. Abgesehen von Nonnius – der nicht mehr zählt – habe ich nur die Frauen der Balbinus-Familie allein besucht. Die Tatsache, daß man den Müller und Klein-Ikarus geschickt hat, um mich alle zu machen, deutet auf eine Familienangelegenheit hin.« Ich war überzeugt, daß das nur passiert war, weil ich Flaccida und Milvia zu viele Fragen gestellt hatte. Die Geschwindigkeit, mit der sie mich gefunden hatten, war besorgniserregend. Doch das behielt ich für mich. »Vielleicht können wir die anderen Banden vergessen. Petro mag zwar den Kopf der Balbinus-Organisation abgeschlagen haben, aber der Rest ist noch aktiv. Wir müssen rausfinden, wer jetzt den Laden leitet, Porcius.« Der Sicherheit meines Haushaltes zuliebe mußten wir das sehr rasch tun.
»Glaubst du wirklich, daß die Ehefrau oder die Tochter dahinter stecken, Falco?«
»Oder der Schwiegersohn. Den hab ich noch nicht kennengelernt.«
»Oder Lalage«, warf Helena ein. Offenbar wollte sie ihre Theorie nicht aufgeben. »Die kann sich ohne weiteres die Dienste von Müller und Co. gesichert haben.«
Porcius und ich tauschten einen verstohlenen Blick aus. Na klar: Zu akzeptieren, daß sich Balbinus’ hirnlose Schlägertypen seine Verbrecherorganisation unter den Nagel gerissen hatten, fiel uns leichter als der Gedanke, daß Frauen jetzt das Sagen hätten. Selbst so Abgebrühte wie Flaccida und Lalage.
Weder Porcius noch ich hatten vor, das vor Helena Justina laut auszusprechen. Sie war aus dem gleichen Holz geschnitzt wie die Kriegerkönigin Tanaquil, wie Cornelia, Volumnia, Livia und andere zähe Matronen, denen gegenüber nie jemand erwähnt hatte, daß sie eigentlich Männern unterlegen seien. Ich persönlich mochte Frauen mit eigenen Ideen. Doch man muß sanft vorgehen, wenn man einem Rekruten
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