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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
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getraut hatte, würde versuchen, das Monster aufzuhalten. Keine schlechte Entwicklung! Ich würde zwar dabei draufgehen, aber ich würde es versuchen. Ich würde mich ihm in den Weg stellen, schließlich wollte er doch nur
mich
. Vielleicht würde er das Morden aufhören, wenn er mich endlich erledigt hätte? Vielleicht würde er dann zur Ruhe kommen? Vielleicht würde sich sein zerfressenes Gehirn damit zufrieden geben? Ich konnte mich zwar kaum bewegen, konnte ihn nicht angreifen, konnte nicht weglaufen. Aber ich konnte ihm trotzdem etwas entgegensetzen. Ich hatte einen gesunden Kopf, und ich konnte in seinem kranken Hirn lesen. Ich konnte seine Gedanken lesen, vielleicht schon, bevor er selber sie klar erkennen konnte. Das war meine Chance. Noch ein Vorteil war auf meiner Seite: er fürchtete sich vor mir. Vielleicht hatte er noch mehr Angst vor mir, als ich vor ihm hatte! Bei unserem ersten Zusammentreffen hatte ich seine große Angst gespürt. Todesangst. Er musste mich für sehr mächtig halten. Vielleicht würde seine Furcht ihn lähmen. Vielleicht würde sie seine unmenschlichen Kräfte hemmen. Wie auch immer eine Auseinandersetzung mit ihm ausgehen würde, ich konnte mich unmöglich in Irland verstecken, und darauf hoffen, dass er vielleicht zufällig von einem Baukran erschlagen würde, oder dass er der Polizei in die Arme laufen würde. Ich konnte hier nicht tatenlos in meinem Rolli sitzen und zulassen, dass er zu Hause Menschen umbrachte, die das Pech hatten, in meiner Nähe zu leben. Er machte keine Unterschiede. Leute, die mich kannten, waren seine natürlichen Feinde. Sie stellten eine Gefahr für ihn dar, die er aus dem Weg räumen musste. Und davon verstand er etwas, das hatte er schon bewiesen. Meine Eltern ging es noch gut, aber ich hatte deutlich gespürt, dass irgendetwas zu Hause geschehen war. Etwas blutiges, etwas tödliches. Das durfte nicht mehr geschehen!

    Ich würde mein Versprechen einhalten, und morgen mit Manfred die Cliffs of Moher bestaunen. Ich würde übermorgen zurück in meine Heimat fahren, und in drei Tagen war ich vielleicht schon eine Nummer im städtischen Leichenschauhaus. Doch ich konnte nicht anders. Ich hatte gar keine Wahl. Es erschien mir gerechter, wenn ein frustrierter Blödmann, der in einer dämlichen Sekunde sein gesamtes Leben eine Brücke heruntergeworfen hatte, sterben musste, als viele unschuldige Menschen. Menschen, die noch ein Leben vor sich hatten, das es wert war gelebt zu werden.

    Die Alte nickte stumm. Sie akzeptierte meine Entscheidung, was hätte sie denn auch sonst machen können? Sie kramte etwas aus ihren Kitteltaschen und legte es mir um den Hals. Es war eine Kette, die ein gepresstes Kleeblatt hielt. Das Nationalsymbol der Iren. Mit stotternden Worten wünschte sie mir Glück und bat Gott darum, mich zu beschützen. Wenn sie geahnt hätte, was ich von göttlichem Beistand hielt! Aber sie las nicht mehr meine Gedanken, sie hatte resigniert. Flüsternd dankte ich ihr, doch sie war schon aus dem Zimmer verschwunden, und ich blieb allein. Alleine mit einer beschissenen Angst und einem Altar, der mich auszulachen schien.

15

    Manfred kam pfeifend aus dem Bad. Er strotzte vor guter Laune und Unternehmungslust. Er war so sehr mit sich und seiner Freude beschäftigt, dass ihm überhaupt nicht auffiel, in welch dunkler Stimmung ich mich befand. Ich wollte es ihm nicht verderben. Er hatte schon auf so Vieles verzichten müssen, hatte in den letzten Monaten so viel geschluckt; er hatte es sich verdient, heute Abend etwas Spaß zu haben. Und ich wollte es ihm nicht verderben, so schwer es mir auch fiel.
    Also zogen wir los, den Geheimtipp Doolin zu entdecken, und nach dem dritten Pub und dem siebten Guinness hatte ich den Koloss vergessen.

    Jesus hatte mich nicht vergessen. Er konnte kaum an etwas anderes denken. Immer noch beobachtete er mein Haus; hoffte, dass er dort meine Fährte aufnehmen könnte. Und er wartete auf den dicken Polizisten. Denn sein Hunger wurde immer quälender. Langsam wurde er ungeduldig. Der Dicke schnüffelte nun schon seit Stunden in der Wohnung des Krüppels herum. Was hoffte er dort zu finden? Eine Spur,
seine
Witterung? Jesus hinterließ niemals Spuren! Bereits vor vielen Jahren hatte er den Kampf gegen die Ratten dieser Erde aufgenommen, aber noch nie war es jemanden gelungen, ihn aufzuspüren. Zu gerissen war er, zu überlegen. Schließlich kämpfte er im Auftrag des HERREN! GOTTES Jünger waren übermächtig, niemand

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