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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
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konnte ihnen etwas anhaben. ER stand ihnen zur Seite, ER führte sie. Niemals ließ ER sie im Stich. Solange sie SEINE Befehle befolgten, stand ER zu ihnen, und Jesus war ein sehr gehorsamer Krieger. Und ein erfolgreicher dazu! Viele Ratten hatte er bereits vernichten können, und niemals hatte man ihn fangen können. Er war zu stark und zu gerissen.

    Er stand nun bereits seit Stunden in dem dunklen Hauseingang. Er musste sich etwas ducken, zu niedrig war sein Versteck. Niemand beachtete ihn. Das Haus auf der anderen Straßenseite war viel interessanter als ein Riese, der sich das Schauspiel aus der Ferne ansah. So oft kam es nicht vor, dass ein Priester in der Wohnung eines verschwundenen Rollstuhlfahrers umgebracht wurde. Schon gar nicht auf diese ganz spezielle Art. Unter den Schaulustigen waren nicht wenige, die sogar von Vampiren und Blutsaugern sprachen. Phantasie hatten die Ratten ja. Jesus grinste schief.

    Es näherte sich ihm ein Mann. Er war klein. Klein und schleimig. Auf Jesus wirkte er wie eine missratene Ratte, die von ihrer Sippe ausgestoßen worden war. Denn sie duldeten keine Schwachen unter sich. Sie gefährdeten nur die Stärke ihrer Spezies. Man konnte doch einiges lernen von den Ratten. Aber warum akzeptierten sie ausgerechnet einen Krüppel als ihren Anführer? Dieser Frage konnte Jesus nicht weiter nachgehen, denn die schleimige Ratte quatschte ihn an. Dabei hielt sie ihre drei Kameras fest, damit sie nicht allzu sehr an ihrer schmalen Brust klapperten.

    „Tschuldigung, Chef! Darf ich Sie mal was fragen? Mein Name ist Fischer. Ich bin vom Generalanzeiger. Ich wüsste zu gerne, was dort drüben passiert ist. Ihre Kollegen sind so stumm wie Goldfische. Nicht ein Wort blubbern sie heraus. Sonst können sie ihren Mitteilungsdrang kaum bändigen, aber heute sind ihre Münder wie zugeklebt. Können Sie mir nicht etwas stecken? Ich würde ihnen meinerseits auch gerne was zustecken… Ich meine, eine Hand wäscht die andere, nicht wahr?“

    Diese kleine Ratte hielt ihn für einen Polizisten! Das war ja wohl das Letzte! Jesus sah zu ihm hinunter. Er sah nur seine glänzende Halbglatze und etwas von seinen mickrigen Nageraugen, die gierig zu ihm hinaufsahen. Der kleine Reporter war geil. Geil auf Neuigkeiten. Er würde sich für eine Neuigkeit verkaufen, wie eine billige Straßennutte. Jesus bemerkte einen bitteren Brechreiz, der sich in seinem leeren Magen ausbreitete. Der Kleine widerte ihn an, er war einfach nur ekelig. Außerdem störte er ihn. Er war lästig wie eine Fliege, die einem um die Nase herumschwirrte. Und pausenlos summte sie ihm dummes Zeug ins Ohr.
    „Sagen Sie doch mal, warum haben Sie hier Posten bezogen? Glauben Sie, der Täter steht dort bei den miesen Gaffern? Oder denken Sie, dass es mehrere Täter waren? Also wenn Sie mich fragen, war es nur ein Mann. Was man so hört, wurde da oben eine ziemliche Sauerei veranstaltet. Die Wohnung soll ja aussehen wie ein Schlachthaus. Leider lassen sie mich nicht hinein. Noch nicht einmal ins Haus darf ich! Wo bleibt da die Pressefreiheit, nicht wahr? Also, für mich steht fest, dass es ein Verrückter gewesen sein muss! Nur ein total durchgeknallter Typ ist in der La-.“
    Der Mann nervte. Er wurde Jesus zu lästig. Warum konnte er nicht sein winziges Maul halten? Jesus fasste ihn mit seiner linken Hand an den Nacken. Er musste dafür etwas in die Knie gehen, zu beträchtlich war der Größenunterschied. Dann rammte er ihm die rechte Faust ins Maul. Nach einigem Wühlen fand er das, wonach er gesucht hatte. Er ergriff die glitschige Zunge der kleinen Ratte. Die Ratte wollte schreien. Aber erstens war das mit einer Faust im Mund, die so groß wie ein Boxhandschuh war, ziemlich kompliziert. Zweitens hinderte ihn ein Schneidezahn daran, der dummerweise in seine Luftröhre gelangt war. Endlich bekam Jesus die Zunge zu fassen. Mit einem kurzen Ruck wurde sie beschäftigungslos. Nun würde er endlich wieder seine Ruhe haben. Die Ratte hatte die Augen verdreht, aber um sicher zu gehen, machte er mit seiner Linken eine rasche Bewegung, und das Rattengenick war gebrochen. Seufzend genoss Jesus die Ruhe. Er zerrte den Kadaver in ein nahes Gebüsch und huschte dann zurück in sein Versteck. Geistesabwesend kaut er auf einer kleinen Zunge herum. Natürlich würde er damit nicht seinen Hunger stillen können. Aber er konnte warten.

    Glücklich und verkatert wachten wir auf. Keine Ahnung, wann und wie wir in unser Quartier gekommen waren. Irgendwie

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