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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
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halt.

    Scheinbar hatte sich sein Körper vorgenommen, die verloren gegangene Flüssigkeit durch eine andere zu ersetzen. All das verlorene Blut, was sich unter seinem Kopf zu einer Pfütze gesammelt hatte, wollte ersetzt werden. Die Wunde sog den Urin wie ein trockener Schwamm auf.
    Es brannte.
    Es brannte, stach, stieß zu, zerrte, zog.
    Schmerz!
    Nun wusste Laschek ganz genau, was Schmerzen waren. Er begann zu weinen. Nicht leise wimmernd, seine Tränen beschämt zurückhaltend. Nein. Er flennte wie ein kleines Mädchen, dem man die Lieblingspuppe weggenommen hatte. Er schluchzte und schniefte. Es war erbärmlich.

    „Oooch! Haben Sie mich so sehr vermisst? Ich habe Sie aber auch viel zu lange warten lassen! Tut mir wirklich sehr leid! Aber jetzt wird alles wieder gut. Wir können sofort miteinander spielen, ok? So beruhigen Sie sich doch wieder!“

    Laschek konnte einfach nicht mehr aufhören. Er sah den Riesen durch seine nassen Augen an, sah, wie verrückt er blickte, und schluchzte erneut laut auf.

    „Jetzt ist aber gut! Stellen Sie sich doch nicht so an! Ich habe mich doch schon entschuldigt! Soll ich vielleicht vor ihnen auf die Knie fallen? Reißen Sie sich zusammen, sonst wird es nichts mit unserem Spiel!“

    Laschek schaute das Monster an. Immer noch laut schluchzend, betrachtete er sein Schicksal. Irgendwie schien es ihm, als sei das Monster während seinem kleinen Ausflug noch größer geworden. Als sei es durch die Tat, die es zweifellos begangen hatte, und die ihm diese unglaublich gute Laune beschert hatte, gewachsen. Und er wirkte so unheimlich stark! So unverwundbar. Unverwundbar und unbesiegbar. Hatte Laschek wirklich geglaubt, ein paar Mannschaftswagen voll uniformierter Kollegen hätten diesen Berg festnehmen können? Eine Stange Dynamit hätte gegen diesen Kerl nichts ausrichten können. Er hätte sich den Staub von seinen breiten Schultern gepustet, gegrinst, und die Polizisten wie Grashalme umgeknickt. Ihm konnte nichts und niemand etwas anhaben. Vielleicht eine Atombombe, aber selbst da war sich Laschek nicht mehr so ganz sicher. Möglich, dass er auch dagegen immun gewesen wäre.

    Hoffentlich war das Monster nach seinem Ausflug nicht mehr so verspielt. Hoffentlich hatte er sich an den Kindern reichlich ausgetobt. Laschek hasste diesen Gedanken. Aber er wünschte sich wirklich inständig, dass dieses Monster einen Riesenerfolg gehabt hatte, und zufrieden mit sich heimgekehrt war. Dann hatte es vielleicht nicht mehr ganz so viel Lust zum spielen, und es würde schnell gehen. Dass es Phantasie besaß, hatte es vor seinem Verschwinden bewiesen. Dieser kleine Ritzer an Lascheks Kehle war schlicht und ergreifend genial gewesen. Der Ritzer hatte Laschek wach und irgendwie
frisch
gehalten. Damit das Spiel mit ihm nicht zu schnell langweilig werden würde. Das Monster hatte ihn bluten lassen, aber nicht
aus
bluten lassen. Dies war ein sehr feiner Unterschied, wie Laschek feststellen musste. Er wäre viel lieber an einer
großen
Wunde verblutet. Das wäre mit Sicherheit relativ schnell gegangen. Wenn er während seiner Laufbahn in der Mordkommission richtig aufgepasst hatte, dann war das eine eher angenehme Art zu Sterben. Man wurde wohl ziemlich schnell bewusstlos, und falls man dann irgendwann wieder aufwachen sollte, war man bereits tot, und hatte somit alles hinter sich.

    Aber dem Monstrum ging es leider nicht um seinen Tod, es interessierte sich für etwas ganz anderes. Es suchte einen Spielkameraden, wollte nicht länger alleine sein. Wenn man so aussah, und so einen miesen Charakter in seinem riesigen Körper beherbergte, dann hatte man nicht viele Freunde. Wenn man dann einen neuen Freund fand, behandelte man ihn sehr pfleglich und vorsichtig, um ihn nicht gleich wieder zu verlieren. Deshalb wunderte sich Laschek auch nicht, als das Monster ihm eröffnete, es hätte ihm ein kleines Geschenk mitgebracht.

    „Schauen Sie mal, was ich hier für Sie habe!“
    Stolz lächelnd zog er ein Pflaster aus seiner Hosentasche. Er zwinkerte verschwörerisch mit einem Auge, und zog die beiden Schutzfolien an den Enden ab. Vorsichtig, fast zärtlich, klebte er ihm das Pflaster auf die kleine Schnittwunde, die immer noch brannte, als hätte ein Elefantenbulle reingepisst, was der Wahrheit ja auch ziemlich nahe kam.

    „Sooo!“
    Die Stimme des Monsters klang wie die einer besorgten Krankenschwester. In ihr klang so etwas mit wie:
    „Es wird bald alles wieder gut!“
    Aber gar nichts würde gut

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