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Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Gnadenlose Gedanken (German Edition)

Titel: Gnadenlose Gedanken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner
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dem Heim mitgenommen.

    Jesus hatte seitdem nie wieder mit den Menschen in Kontakt kommen wollen, er traute ihnen nicht mehr. Wenn sogar eine Nonne böse werden konnte, dann doch erstrecht ein normaler Mensch. Er berührte die Menschen nur noch, wenn er sie verletzte oder tötete.

    So wie er den Rattenmann wohl anfassen musste, wenn er ihn vernichten wollte. Das würde sich leider nicht vermeiden lassen. Aber er würde es akzeptieren. Er
musste
es akzeptieren! GOTT befahl es ihm.

    Veronika und ich hatten tatsächlich einen kleinen, abgelegenen Rastplatz gefunden, und nach längerem Wühlen fischte sie auch eine Schachtel Kondome aus ihrer Handtasche. Anfangs machte ich mir ziemliche Sorgen wegen meiner Potenz. Die Ärzte in der Reha-Klinik hatten mir zwar mehrfach versichert, dass meine „Männlichkeit“, (wie sie es so gerne bezeichneten), durch den Unfall nicht gelitten hätte. Es würde vielleicht zuerst etwas kompliziert und ungewohnt sein, als Rollstuhlfahrer Sex zu haben, aber mit ein wenig Übung würde ich mich schnell daran gewöhnen. Nun, seit dem Sprung von der Brücke hatte ich nie wieder eine Erektion gehabt, und hätte es auch nie für möglich gehalten, jemals wieder eine zu bekommen. Bis ich Veronika aus dem Meer fischte. Plötzlich interessierte ich mich wieder für meine Libido, oder sie sich für mich, ganz wie man es sehen wollte.

    Als wir dann den Rastplatz angefahren waren und uns davon überzeugt hatten, uns ungestört lieben zu können, waren meine alten Ängste wieder aufgetaucht. Wird sie sich vor mir und meinen Spinnenbeinchen ekeln? Tut sie es nur aus Mitleid? Ist sie vielleicht sogar pervers, ja,
musste
eine Frau nicht sogar pervers sein, um mit einem Krüppel schlafen zu können? Würde es überhaupt funktionieren, kriege ich ihn hoch?
    Ich hatte nicht den Mut, ihr von meinen Ängsten zu erzählen. Ich sagte ihr nur, dass es das erste Mal für mich sei, nach dem Unfall. Sie verstand mich auch ohne Worte. Sie war sehr vorsichtig und geduldig mit mir. Und ich bekam ihn nicht hoch! Es war viel besser,
sie
brachte ihn hoch. Und dann war sie plötzlich gar nicht mehr vorsichtig und sie wurde ebenfalls ziemlich ungeduldig. Und das gefiel mir! Bevor sich in meinem Kopf weitere Befürchtungen festsetzen konnten, saß sie auch schon auf mir und ich war in ihr. Es war einfach nur wunderschön.

    Wir saßen bei meinen Eltern am Kaffeetisch und ich dachte nur an Sex. Die besorgte Vernehmung meiner Mutter über den Hergang der Katastrophe, und das teilnahmslose Schweigen meines Vaters, passten so gar nicht in meine Stimmung. Auch Veronika lächelte nur ziemlich verzückt, sie schien ebenfalls in anderen Sphären zu schweben.
    Aber meine Mutter konnte sehr hart und unerbittlich sein.

    „Wie hat es denn nur dazu kommen können? Ich dachte, mich trifft der Schlag! Aus dem Fernseher musste ich es erfahren! Aus dem Fernsehgerät! Unvorstellbar! Und da zeigt dieses brutale Fernsehteam ausgerechnet, wie man deinen Rollstuhl aus dem Wasser zieht! Zuerst habe ich ihn überhaupt nicht erkannt, bis ich diesen lächerlichen Delphin-Aufkleber entdeckte. Ich schwöre dir, für einige Sekunden hörte mein Herz auf zu schlagen. Erst viele Stunden später konnten mir diese dämlichen Franzosen am Telefon sagen, dass du bei den Geretteten warst. Ich war so durcheinander! Vater war natürlich nicht zu Hause!“

    Wenn sie es aussprach, klang das seltsamerweise nicht wie ein Vorwurf. Mein Alter saß weiterhin brav auf seinem Sessel, und versuchte wach zu bleiben.

    „Ich war so verwirrt, dass ich schon zu Pfarrer Hofgang eilen wollte, um mir seinen Beistand zu holen. Stell die einmal vor, ich hatte bereits Mantel und Regenschirm in der Hand, als mir erst wieder einfiel, dass er nicht mehr unter uns ist! Warum hast du mich denn nicht angerufen, nachdem sie dich in diese französische Schule gebracht hatten?“, fragte sie mich zum wiederholten Male.
    Mit Recht.
    Ich konnte ihr und mir diese Frage einfach nicht beantworten. Ich hatte nicht daran gedacht, dass die Medien über die Schiffskatastrophe berichten würden, und meine Eltern
so
davon erfahren würden. Eigentlich hatte ich geplant, sie nach meiner Heimkehr anzurufen. Von meiner Wohnung aus, wenn ich geduscht und ausgeruht gewesen wäre. Erst Veronika hatte mich auf die Idee gebracht, sie könnten sich vielleicht Sorgen machen. Veronika hatte ihre Familie bereits aus Frankreich angerufen und sie beruhigt. Ich tat es dann von einer Raststätte aus, und meine

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