Gnadenlose Jagd
Woche mach ich dich fertig.«
»Fahr vorsichtig.«
»Ich fahre immer vorsichtig. Ich habe neuerdings eine Menge zu verlieren.« Er legte den Kopf schief und lauschte. »Ist das Donner?«
»Würde mich nicht wundern. Grace meinte, es würde heute Nacht noch regnen. Woher zum Teufel weiß sie das?«
Charlie zuckte die Achseln. »Sie hat mir mal erzählt, sie hätte Cherokeeblut in den Adern. Ist also vielleicht genetisch bedingt.« Er hob eine Hand als Abschiedsgruß und fuhr rückwärts vom Parkplatz.
Robert blickte ihm nach. Es hatte den Anschein, als würde Charlie ziemlich sicher fahren, und der Weg zu seiner Farm führte nur über Nebenstraßen. Um sich zu beruhigen, würde er Charlie kurz anrufen, sobald er davon ausgehen konnte, dass er zu Hause angekommen war. Er drehte sich um und ging zu seinem Geländewagen.
Es war ein schöner Abend gewesen, entsprechend war Robert bester Stimmung. Auch wenn es nicht Teil seines Jobs wäre, würde er die Abende mit Grace, Frankie und Charlie genießen. Für ihn waren die drei quasi die einzige Familie, die er je hatte. Als er den Job angenommen hatte, hätte er nie erwartet, dass er von Dauer sein würde, doch jetzt wäre er enttäuscht, wenn er zu Ende ginge.
Falls der Job jemals beendet sein würde, dachte er wehmütig. Man hatte ihm gesagt, Grace Archer sei extrem wichtig, und er dürfe, was ihre Sicherheit anging, kein Risiko eingehen. Die Tatsache, dass er nun schon seit acht Jahren in diesem Kaff ausharren musste, bestätigte das noch.
Nicht dass er ein Risiko eingehen würde, wenn die CIA sie plötzlich als entbehrlich betrachtete. Grace zu beschützen war für ihn zu einer ganz persönlichen Aufgabe geworden. Verdammt, er mochte sie. Sie war intelligent und willensstark; wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ sie sich von nichts aufhalten. Außerdem war sie verflucht attraktiv. Es wunderte ihn selbst, dass er sie anziehend fand. Er hatte immer auf niedliche, anhängliche Frauen gestanden, und seine erste Ehefrau hatte diesem Bild hundertprozentig entsprochen. Aber an Grace war nichts Niedliches oder Anhängliches. Sie war groß, schlank und elegant, mit kurzen, kastanienroten Locken, die ihr Gesicht einrahmten, großen, braunen Augen, vollen Lippen und einem Körperbau, der eher interessant war als im konventionellen Sinne schön. Doch etwas an ihrem Selbstbewusstsein, ihrer Gelassenheit und ihrer Intelligenz machte ihn an. Er hatte schon einige Mal die Notbremse ziehen müssen, aber Grace war so fixiert auf ihre Tochter und auf das Leben, das sie sich auf Charlies Farm eingerichtet hatte, dass ihr das wahrscheinlich entgangen war.
Oder sie hatte es einfach ignoriert. Sie schätzte ihn als Freund, und vermutlich wollte sie ihr freundschaftliches Verhältnis nicht gefährden, indem sie sich auf eine weniger ruhige, brisante Beziehung einließ. Bis sie hierhergekommen war, war ihr Leben weiß Gott unbeständig und von Gewalttätigkeit bestimmt gewesen. Beim Lesen ihres Dossiers war es ihm schwergefallen, die Grace, die er kannte, mit der darin beschriebenen Frau unter einen Hut zu kriegen. Bis auf die Tatsache, dass sie ihn beim Training fast jedes Mal besiegte. Sie war stark und sehr gut geschult und zielte bei ihren Angriffen stets auf die Halsschlagader. Gut möglich, dass gerade ihre Gefährlichkeit sie für ihn so begehrenswert machte.
Robert drückte auf die Fernbedienung, um die Türen seines Geländewagens zu öffnen. Charlie würde etwa zwanzig Minuten bis zu Hause brauchen. Er würde ihm noch fünf weitere Minuten geben, um ins Haus zu gehen, dann würde er ihn anrufen und Auf dem Fahrersitz lag ein großer brauner Umschlag.
Robert erstarrte. »Verdammt.« Er wusste genau, dass er seinen Wagen abgeschlossen hatte.
Er schaute sich auf dem Parkplatz um. Weit und breit niemand, der ihm verdächtig erschien. Aber wer auch immer den Umschlag dort deponiert hatte, hatte den ganzen Abend Zeit dazu gehabt.
Langsam nahm er den Umschlag vom Sitz, öffnete ihn und entnahm den Inhalt.
Ein Foto von zwei weißen Pferden im Profil.
Beide Pferde hatten blaue Augen.
»Mom? Darf ich reinkommen?« Frankie stand in der Tür zu Grace’ Schlafzimmer. »Ich kann nicht schlafen.«
»Sicher.« Grace setzte sich auf und klopfte auf das leere Bett neben sich. »Was ist los? Hast du Bauchweh? Ich hab dir ja gleich gesagt, du sollst das letzte Stück Pizza liegen lassen.«
»Nein.« Frankie kuschelte sich unter die Decke. »Ich hab mich bloß
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