Gnadenlose Jagd
dem Wettkampf teilzunehmen. Mir ist es egal, ob du gewinnst oder nicht, aber du musst auf alles vorbereitet sein.«
»Ich weiß.« Frankie lächelte. »Und ich werde gewinnen. Wart’s nur ab.« Sie gab dem Palomino die Sporen und galoppierte um den Parcours. »Aber es wäre hilfreich, wenn du das auch Darling erklären würdest!«, rief sie Grace über die Schulter hinweg zu.
Sie wirkt so klein auf dem Pferd, dachte Grace sorgenvoll. Frankie trug Jeans und ein rot kariertes Hemd, gegen das ihre unter dem Helm hervorquellenden Locken im Sonnenlicht schwarz wirkten. Sie war acht, wirkte aber jünger, weil sie für ihr Alter immer schon sehr zierlich gewesen war.
»Sie ist noch ein Kind, Grace.« Charlie war neben sie an den Zaun getreten. »Sei nicht so gnadenlos mit ihr.«
»Ich wäre gnadenlos, wenn ich sie unvorbereitet durchs Leben gehen ließe.« Sie murmelte ein Stoßgebet, als sie sah, wie Frankie auf die Hürde zugaloppierte. »Ich kann sie nicht ihr Leben lang beschützen. Was ist, wenn ich nicht da bin, um ihr beizustehen? Sie muss lernen zu überleben.«
»So wie du?«
»So wie ich.«
Darling hatte die Hürde fast erreicht.
Nicht scheuen. Nicht scheuen, alter Junge. Bring sie sicher rüber.
Darling zögerte, dann setzte er zum Sprung an und überflog die Hürde.
»Ja!« Grace sprang vom Zaun, um Frankie entgegenzulaufen, die einen Freudenschrei ausstieß und auf sie zugeritten kam. »Ich hab dir ja gesagt, dass du es schaffst!« Als Frankie aus dem Sattel glitt, fing Grace sie auf und wirbelte sie durch die Luft. »Du bist großartig!«
»Stimmt.« Frankie strahlte. »Vielleicht bist du ja nicht die einzige Pferdeflüsterin in der Familie.« Sie schaute über Grace’ Schulter hinweg zu Charlie hinüber. »Tolle Nummer, was?«
Charlie nickte. »Und ich dachte schon, die Tastenklimperei würde dich für jeden anständigen Job untauglich machen.« Ein durchtriebenes Lächeln hellte sein wettergegerbtes Gesicht auf. »Ich könnte mir sogar überlegen, dir drüben auf Bakers Farm einen Ferienjob als Stallmädchen zu besorgen.«
»Ich hab hier schon genug Ställe zum Ausmisten.« Sie nahm Darlings Zügel und führte ihn in Richtung Tor. »Und du gibst mir frei für meine Klavierstunden, das würde Mr Baker bestimmt nicht tun, der steht auf Countrymusic.«
»Wenn du mit Darling fertig bist, geh duschen und zieh dich um«, sagte Grace. »In einer Stunde fängt das Judotraining an.«
»Okay.« Frankie nahm ihren Helm ab und schüttelte ihre Locken aus. »Robert hat uns versprochen, nachher mit uns Pizza essen zu gehen. Du kommst doch bestimmt auch mit, Charlie, oder?«
»Das würde ich mir niemals entgehen lassen«, sagte Charlie. »Und wenn deine Mutter nichts dagegen hat, kümmere ich mich sogar um Darling.« Er zog eine Grimasse. »Schon gut, sie sieht mich schon wieder strafend an, weil ich in ihre Erziehung eingreife.«
»So ist sie nun mal.« Frankie führte Darling zum Stall. »Aber das ist in Ordnung. Es gefällt mir, Darling zu striegeln. Damit kann ich mich dafür revanchieren, dass er mir so viel Freude macht.«
»Indem er dich zum Beispiel in den Dreck wirft.«
»Er hat mir aber nicht wehgetan.«
»Gott sei Dank«, murmelte Grace, während Frankie im Stall verschwand. »Ich hätte fast einen Herzinfarkt gekriegt, Charlie.«
»Aber du hast sie dazu gebracht, es noch einmal zu versuchen.« Charlie nickte. »Ja, ja, ich weiß. Sie muss lernen zu überleben.«
»Und eine Chance auf Erfolg haben. Ich lasse nicht zu, dass man sie kleinkriegt.«
»Sie ist ziemlich gut am Klavier. Nicht jeder muss sich auf dem Parcours beweisen.«
»Das Reiten macht ihr Spaß, seit wir beide es ihr mit drei beigebracht haben. Das Klavier ist ihre große Liebe, und sie hat ein außerordentliches Talent. Aber ich möchte nicht, dass ihr Leben sich nur am Klavier und in Konzerthallen abspielt. Sie komponiert auch gern, und das stürzt sie wenigstens nicht in das ganze Tamtam von öffentlichen Auftritten. Sie soll hier ein erfülltes und abwechslungsreiches Leben haben, bevor sie selbst entscheiden darf, ob sie im Rampenlicht stehen will.« Sie setzte eine fassungslose Miene auf. »Wer zum Teufel hätte jemals gedacht, dass ich mal ein Wunderkind zur Welt bringen würde?«
»Du selbst bist ja auch nicht ohne.«
»Ein Talent wie Frankies hat nichts mit Vererbung zu tun, das ist einfach eine Laune der Natur. Aber ich möchte, dass sie eine ganz normale, glückliche Kindheit verlebt.«
»Und wehe dem, der
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