Gnadenlose Jagd
einsam gefühlt.«
Grace nahm sie in die Arme. »Dann bin ich froh, dass du gekommen bist. Einsam sein tut weh.«
»Ja.« Frankie schwieg eine Weile. »Ich dachte, vielleicht fühlst du dich ja auch manchmal einsam.«
»Ja, wenn du nicht da bist.«
»Nein, ich meine … Im Fernsehen geht es doch immer um Liebe und Hochzeit und all so was. Bin ich dir vielleicht im Weg?«
»Du bist mir nie im Weg.« Grace lachte leise. »Und ich versichere dir, dass mir ›all so was‹ kein bisschen fehlt. Dafür bin ich viel zu beschäftigt.«
»Wirklich?«
»Wirklich.« Sie hauchte Frankie einen Kuss auf die Schläfe. »Ich bin zufrieden mit meinem Leben, mein Schatz. Das Leben mit dir und Charlie macht mich sehr, sehr glücklich.«
»Mich auch.« Frankie gähnte. »Ich wollte dir nur sagen, dass es mir nichts ausmachen würde, wenn du –«
»Schlaf jetzt. Ich muss morgen früh einen Zweijährigen einreiten.«
»Okay.« Sie kuschelte sich an ihre Mutter. »Ich hab wieder diese Musik gehört. Morgen früh nach dem Aufstehen versuch ich mal, sie auf dem Klavier zu spielen.«
»Etwas Neues?«
Sie gähnte wieder. »Mm-hmm. Es ist noch ganz, ganz leise, aber es wird bestimmt lauter.«
»Wenn du so weit bist, würde ich mir die Musik gern anhören.«
»Mh-hmm. Aber es ist nur ein Geflüster …«
Sie war eingeschlafen.
Vorsichtig schob Grace ihr ein Kopfkissen unter. Eigentlich sollte sie sie zurück in ihr Bett schicken, aber sie brachte es nicht übers Herz. Frankie war so eigenständig, dass sie kaum noch zum Kuscheln zu Grace kam, und Grace genoss diese seltenen Augenblicke. Es gab doch nichts Rührenderes als die weiche und warme Nähe eines geliebten Kindes.
Und kein Kind auf der Welt wurde so sehr geliebt wie dieses Kind in ihren Armen.
Merkwürdig, dass Frankie sich über Grace’ Leben als unverheiratete Frau Gedanken machte. Oder vielleicht auch nicht. Schließlich war Frankie sehr reif für ihr Alter und extrem sensibel. Hoffentlich glaubte sie ihrer Mutter, dass ihr das Leben auf der Farm genügte, dachte Grace, denn es war die Wahrheit. Sie hatte so viel um die Ohren, dass sie gar keine Zeit hatte, sich über Sex oder irgendeine andere Art von enger Beziehung mit einem Mann den Kopf zu zerbrechen. Und selbst wenn eine Liebesbeziehung keine Bedrohung darstellte, würde sie sich auf keinen Fall wieder in so ein Chaos aus wollüstiger Raserei hineinziehen lassen, an dem sie beinahe zerbrochen wäre. Als sie mit Frankie schwanger geworden war, hatte sie in einer von sexueller Hörigkeit bestimmten Beziehung gelebt, die sie völlig um den Verstand gebracht hatte. Das durfte nie wieder passieren. Sie schuldete es Frankie, einen kühlen Kopf zu bewahren.
Der Regen trommelte gegen das Fenster, und der gleichmäßige Rhythmus trug noch zu dem wohligen Gefühl bei, das sie umgab. Sie wünschte, es könnte für immer so bleiben. Zum Teufel mit dem Pferd, das sie morgen einreiten sollte. Sie würde liegen bleiben und das vertraute Beisammensein mit Frankie so lange wie möglich auskosten.
»Was zum Teufel soll das?«, fragte Robert, als er Les North in Washington an die Strippe bekam. »Pferde? Hier wimmelt es von Pferden, aber bisher ist noch nie einer auf die Idee gekommen, mein Auto aufzubrechen, um mir ein Foto von zwei Gäulen auf den Fahrersitz zu legen.«
»Blaue Augen?«
»Ja, beide. Was hat das –«
»Fahren Sie raus zur Farm, Blockman. Sehen Sie nach, ob alles in Ordnung ist, okay?«
»Soll ich sie etwa wecken? Wir waren eben erst mit der Kleinen Pizza essen. Es geht ihnen gut. Vielleicht hat mir einfach jemand einen Streich gespielt. Ich erfreue mich nicht gerade großer Beliebtheit hier in diesem Kaff. Ich bin weder Baptist, noch hab ich irgendwas mit Pferden zu tun, und das macht mich zum Außenseiter.«
»Das war kein Streich, und das war auch keiner von Ihren Nachbarn. Fahren Sie zur Farm raus. Jagen Sie ihr nicht unnötig Angst ein, aber vergewissern Sie sich, dass sie in Sicherheit ist.«
»Ich rufe Charlie auf seinem Handy an und frage nach.« Robert schwieg einen Augenblick. »Die Sache scheint also ziemlich ernst zu sein. Darf man fragen, warum Sie so außergewöhnlich besorgt sind?«
»Ja, die Sache ist verdammt ernst. Sie könnte der Grund dafür sein, dass Sie seit all den Jahren vor ihrer Tür Wache halten. Und jetzt machen Sie sich gefälligst auf die Socken und verdienen sich Ihr Honorar.«
»Bin schon unterwegs.«
North drückte das Gespräch weg und starrte nachdenklich
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