Gnadenthal
sagen …»
«Da hör ich doch wat anderes raus. Jetz’ ma’ Butter bei de Fische.»
Haferkamp zuckte die Achseln. «Na ja, wir hatten gestern einen ziemlich anstrengenden Tag. Es lief nicht besonders gut mit den Proben, und dann der Zeitdruck. Ich würde sagen, wir waren alle etwas gereizt.»
«Nobel ausgedrückt. Et hat also Zoff gegeben.»
«So würde ich das nicht sagen …»
Ackermann blinzelte ihn unwillig durch seine dicken Brillengläser an. «Sie haben doch wat. Sons’ sind Sie doch ganz anders.» Dann fuhr er sich durchs Haar. «Wird wohl der Schock sein», murmelte er und zog einen Bleistiftstummel und einen Zettel, der aussah wie eine Tankquittung, aus der Hosentasche. «Warten Se ma’, dat muss ich ebkes aufschreiben: Haferkamp – Mitternacht – die anderen. Also, wie war dat? Wat haben Sie denn dann gemacht?»
«Ich bin auf mein Zimmer gegangen. Ich war müde, und ich musste noch Text lernen.»
«Un’ die anderen waren alle noch im Salon?»
«Ich glaube schon.»
«Na, jetz’ strengen Se sich aber ma’ ’n bisken an. Sie waren doch nüchtern.»
«Doch, die waren alle noch da.»
«Konnt der Frieder schwimmen?»
«Ja, natürlich.»
«Dann muss er aber echt einen im Kahn gehabt haben. Un’ die anderen?»
Haferkamp verstand nicht. «Was meinen Sie?»
«Na, ob die anderen wat mitgekriegt haben, wie dat passiert is’.»
«Nicht, dass ich wüsste. Wir sind alle geschockt.»
Ackermann steckte Stift und Zettel weg. «Dat kriegen wir schon noch.»
Vierzehn
Der Nieselregen hatte wieder eingesetzt und alle ins Haus getrieben.
Unschlüssig hockten sie im Salon, keiner sprach. Haferkamp hielt es kaum auf seinem Stuhl, er wollte sich bewegen. Worauf warteten sie?
Ackermann schlurfte durch die Terrassentür herein. Er trug eine abgewetzte gelbe Regenjacke und wischte sich die beschlagenen Brillengläser mit den Fingern ab.
Auch Astrid Steendijk hatte sich einen Mantel übergezogen, einen blauen Dufflecoat. Sie musste oben bei den Zimmern gewesen sein.
«Ich habe kein Gepäck von Frau Seidl gefunden», sagte sie. «Ist sie schon abgereist?»
Man schaute sich an.
«Ja», antwortete Haferkamp schließlich, «gegen halb zwei diese Nacht.»
Die Steendijk runzelte die Stirn, aber bevor sie etwas sagen konnte, meldete sich Maria zu Wort. «Sie und Frieder hatten Streit.»
«Ja», ergänzte Sibylle, «Patricia ist schwanger, und sie meinte, sie könnte keine Aufregung gebrauchen. Sie war aber ganz gelassen, wie sie eben so ist.»
Die Polizistin schien nicht zufrieden, fragte aber nur: «Hat jemand von Ihnen sie schon verständigt?»
Kopfschütteln.
«Dann werde ich das jetzt veranlassen. Ich bin gleich wieder da.» Sie holte ihr Handy hervor und ging zu Ackermann hinüber. «Kommst du mit nach draußen, Jupp? Wir müssen uns kurz unterhalten.» Damit zog sie sich die Kapuze über und fing noch im Hinausgehen an zu telefonieren.
Sie hatten die Tür offen gelassen, und Haferkamp ging hinüber, lehnte sich mit der Schulter an den Rahmen und spitzte die Ohren, aber sie standen mit dem Rücken zu ihm, und er vernahm nur undeutliches Gemurmel.
Dann klingelte Steendijks Handy. Als sie das Gespräch entgegennahm, drehte sie sich um und schaute ihm direkt in die Augen. Sie lauschte, und für einen Moment wurde ihr hübsches, herzförmiges Gesicht starr. Das Gespräch dauerte nur wenige Sekunden. Sie steckte das Handy weg und sprach auf Ackermann ein, dessen Körper plötzlich in Bewegung geriet.
Haferkamp konnte einzelne Satzfetzen ausmachen: «… von außerhalb», «… möglich, aber … Zoff inne Hütte …»
Jetzt kamen die beiden langsam aufs Haus zu und waren klar zu verstehen.
«Ich muss beim Wetterdienst nachfragen, wann es letzte Nacht zu regnen angefangen hat.»
«Dat kannste dir schenken, Mädken, ich weiß et nämlich zufällig ganz genau. Ich bin nämlich vor der Glotze eingeschlafen, auf ’m Sofa, un’ dat Fenster drüber hat ich auf Kipp stehen. Un’ wach geworden bin ich davon, dat mir der Schauer in ’t Gesicht geblasen wurd, un’ da war et kurz vor halb drei. Hat Bonhoeffer die Tatzeit?»
«Ja, zwischen vier und halb sechs.»
«Un’? War er besoffen?»
Die Steendijk nickte. «1,6.»
Haferkamp trat beiseite, um die zwei hereinzulassen.
Die Polizistin zog sich die Kapuze vom Kopf, schaute sie der Reihe nach an und hob dann kaum merklich die Schultern. «Frieder Seidl ist nicht ertrunken. Er ist erschlagen worden.»
Mehrere Leute zogen scharf die Luft
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