Gnadenthal
Fragen», sagte sie beschwichtigend.
«Ja», krächzte er und räusperte sich.
«Sie können mir sicher sagen, wer der Tote ist.»
«Natürlich, es ist einer unserer Gäste, ein Herr Seidl aus Düsseldorf, hat eine Werbeagentur. Er gehört zu den Kabarettisten, die jedes Jahr bei uns logieren und ihr Programm einstudieren», haspelte er. «Soll ich Ihnen seine Adresse geben? Es dauert einen Moment, ich habe den Computer heute noch nicht hochgefahren.» Himmel, er plapperte wie ein Idiot, was mochte sie nur von ihm halten?
«Danke, das können wir später erledigen.» Sie lächelte leicht. «Ich denke, ich kenne die Kabarettisten. Die ‹Wilde 13›, nicht wahr? Unser Buchhändler ist auch bei dieser Truppe.»
«Ach ja, Herr Haferkamp.»
«Wissen Sie, was passiert ist? Haben Sie in der letzten Nacht irgendetwas beobachtet oder gehört?»
«Nein, das konnte ich auch gar nicht, meine Wohnung ist in einem Nebengebäude, ein ganzes Stück vom Schloss entfernt.»
«Wann haben Sie Herrn Seidl zum letzten Mal gesehen?»
«Weiß ich gar nicht genau, irgendwann gestern Nachmittag, als die Leute vom Fernsehen abgefahren sind. Die haben bei uns gedreht.»
«Und wer von Ihren Angestellten ist nachts im Hotel?»
«Keiner. Die Rezeptionistin geht um vier, einen Nachtportier haben wir nicht, und der Hausmeister wohnt außerhalb und geht in der Regel um 17 Uhr. Ich mache um diese Zeit meistens auch Schluss. Anrufe werden danach auf meine Privatleitung gelegt.»
Sie machte sich eine Notiz. «Und nach 17 Uhr sind die Gäste sich selbst überlassen?»
Sollte das ein Vorwurf sein? «Natürlich nicht», verteidigte er sich. «Das Küchenpersonal ist noch da und sorgt für das Abendessen. Die gehen um neun.»
«Und wer gehört alles zum Küchenpersonal?»
«Die Chefin ist Frau Wegner, dann wären da noch Herr Sattler und vier Helferinnen. Sie arbeiten im Schichtdienst.»
«Wer hatte gestern die Spätschicht?»
Liebeskind musste überlegen. «Also, Frau Wegner habe ich gesehen, aber sonst … Die Küche erstellt ihren Dienstplan selbständig, wissen Sie. Ich kann das aber sofort abklären. Ich könnte Ihnen auch eine Liste unserer Angestellten ausdrucken.»
«Prima.» Sie lächelte wieder. «Das machen wir gleich. Wie viele Gäste haben Sie im Moment?»
«Nur die Kabarettleute, also zehn Personen im Augenblick. Die fehlenden drei sollen heute im Laufe des Tages anreisen, wie Herr Seidl mir sagte. Er hat sich um alle Buchungen gekümmert.»
«Sind alle Zimmer auf demselben Flur?»
«Ja, im ersten Stock. Nur Herr Seidl und seine Frau haben ihr Zimmer im zweiten, obwohl …»
«Ja?» Sie sah ihn auffordernd an.
«Nichts, mir ist nur gerade eingefallen, dass ich Frau Seidl heute noch nicht gesehen habe. Warten Sie mal …»
Er stand auf und ging zum Fenster. «Ihr Wagen ist nicht da.»
Auch die Polizistin erhob sich. «Das war’s vorerst. Jetzt möchte ich bitte das Zimmer der Seidls sehen. Und es wäre nett, wenn Sie mir deren Adresse aufschreiben und dafür sorgen, dass wir möglichst bald mit den Küchenleuten von der Spätschicht sprechen können.»
Josef Ackermann klopfte Toppe auf die Schulter – «Immer schön die Ohren steif halten, Chef!» – und kam dann schnurstracks auf Haferkamp zu. «Bin ich froh, dat ich nich’ der Boss bin, der muss nämlich jetzt inne Pathologie. Ich würd da sofort flau fallen. Lassen Se uns ma’ ’n Stücksken weggehen», meinte er, nahm Haferkamp beim Arm und schaute ihn traurig an. «Is’ schad’, dat wir uns unter solche Umstände treffen müssen. Is’ dat Opfer ’n Freund von Ihnen?»
Haferkamp schluckte. «Ich kenne Frieder seit dreißig Jahren, er gehört auch zur ‹13›.»
«Ich hab et schon gehört. Seit Jahren wollt ich euch immer ma’ gucken, aber ir’ndwie hat dat nie geklappt.»
«Ist er ertrunken?»
«Sieht ganz so aus. Verstehen Sie dat?»
Haferkamp senkte den Blick. «Er war ziemlich betrunken gestern Abend. Eigentlich waren sie alle ziemlich hinüber.»
«Wie ‹sie›? Sie etwa nich’? Sagen Sie bloß, Sie wären Antialkoholiker. Also, dat hätt ich nich’ gedacht, dat passt gar nich’ zu Ihnen.»
Haferkamp musste grinsen. «Bin ich auch nicht, aber gestern war mir einfach nicht danach.»
«Dat kenn ich. Wann haben Sie denn den Frieder dat letzte Mal gesehen?»
«Das muss gegen Mitternacht gewesen sein …»
«Un’ wat war er da am tun?»
«Er saß mit den anderen im Salon.»
«Un’ hat ’ne Party gefeiert.»
«Kann man so
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