Gnadentod
Wahrscheinlichkeit meine Beziehung mit der Vorsitzenden Richterin am Familiengericht ruiniert hatte.
Ein neuer Tag, ein neuer Triumph. Da nicht mehr viel Benzin im Tank war, hielt ich an einer Tankstelle am Willshire Boulevard, wo ich den Münzfernsprecher neben der Herrentoilette benutzte, um meinen Telefonservice anzurufen. Joseph Safer hatte sich vor fünf Minuten von Richards Privatanschluss aus gemeldet.
Richard kam an den Apparat. Seine Stimme klang heiser, leiser als gewöhnlich. »Doktor - bleiben Sie dran.« Eine Sekunde später drang Safers melodische Stimme aus dem Hörer.
»Doktor, vielen Dank, dass Sie sofort zurückgerufen haben.«
»Was liegt an?«
»Richard und die Kinder sind zu Hause. Richard ist vor vier Stunden eingetroffen, aber ich wollte warten, bis der Tumult nachlässt, bevor ich Sie anrufe.«
»Pressetumult?«
»Presse, Polizei, was zu erwarten war. Soweit ich sehe, sind alle wieder weggefahren, mit Ausnahme eines einzigen zivilen Einsatzfahrzeugs, das ein Stück weit die Straße hinunter geparkt steht und in dem interessanterweise die beiden Herren sitzen, die Richard vor Ihrem Haus angesprochen haben.«
Korn und Demetri im arschbetäubenden Einsatz. Also hatte Milo zumindest ein Teil der Oberhand zurückgewonnen.
»Nicht sonderlich subtil«, sagte ich.
»Nun jaa-aa.« Safer kicherte. »Kosaken sind grundsätzlich nicht für ihre Subtilität bekannt.«
»Haben sie das Haus durchsucht?«
»Sie haben damit gedroht«, sagte Safer. »Wir bestreiten ihre Behauptungen, dringen darauf, dass der Richter ihnen einige Beschränkungen auferlegt. Mir ist klar, dass es angesichts der fortgeschrittenen Stunde eine Zumutung ist - aber falls Sie trotzdem die Zeit fänden, herzukommen und mit Richard und den Kindern zu plaudern, wäre das wunderbar.«
»Im Haus?«
»Ich könnte sie in ihr Büro bringen, aber bei all dem, was sie durchgemacht haben …«
»Nein, das ist nicht nötig«, sagte ich. »Ich bin gleich bei Ihnen.«
26
Safer beschrieb mir den Weg zum Haus: auf dem Sunset Boulevard nach Westen, am Einkaufsviertel von Pacific Palisades vorbei, eine Meile hinter dem alten Landsitz von Will Rogers eine Abzweigung nach Norden.
Etwa zwanzig Minuten vom Village entfernt und genauso weit von meinem Haus. In all der Zeit, die ich mit den Dosses verbracht hatte, war ich ihnen nie in ihrer gewohnten Umgebung begegnet. Als ich noch Assistenzarzt am Western Peds war, hatte ich Zeit gehabt, Hausbesuche zu machen und Schulen aufzusuchen. Doch nachdem ich meine Zulassung hatte, verließ ich nur noch selten meine eigenen vier Wände. War ich nicht ein Primatologe, der sich einredete, er verstünde Schimpansen, weil er beobachtete, wie sie sich hinter Gittern der Käfige im Zoo kratzten und von Reifen zu Reifen schwangen?
Hausbesuche waren unpraktisch.
Es konnte einen einengen, wenn man immer nur das Praktische tat. Jetzt hatte ich die Chance, meinen Horizont zu erweitern.
Ich fand die Abzweigung ohne Probleme und fuhr eine stockdunkle Straße hinauf, die in die Palisades führte. Keine Bürgersteige, Vorgärten in der Größe kleiner Parks, Mauern, Tore und Sprechanlagen, nachtschwarze Sträucher und Kaskaden alten Baumbestands.
Das Wohngebiet lag nahe genug am Meer, um die Brise spüren und das Salzwasser riechen zu können. Waren hässliche Septembermorgen hier oben erträglicher? Ich erhaschte einen Blick auf das schimmernde mondgebleichte Wasser zwischen den massigen Fronten der ausladenden Häuser. Als ich weiterfuhr, wurden die Grundstücke immer größer und boten breitere Blickfelder auf den Pazifik. Inzwischen war ich hoch genug, um den ganzen Mond zu sehen, der schwer und tief am Himmel stand.
Sehr wenige Wagen waren an der Straße geparkt, und das Zivilfahrzeug fünfzig Meter vor mir war so unauffällig wie eine Kakerlake auf dem Kühlschrank. Ich fuhr daran vorbei, ohne die zwei Köpfe richtig wahrzunehmen und mir die Mühe zu machen herauszufinden, ob Korn oder Demetri mich identifiziert hatten. Dennoch nahm ich an, dass sie mich bemerkt hatten. Jetzt war ich eine Notiz in der Mordakte.
Ich fuhr langsamer, hielt nach der Adresse Ausschau, die Safer mir gegeben hatte, und fragte mich, welches benachbarte Gebäude die Träume und Albträume der Manitows beherbergte.
Richards Denkmal an den Erfolg entpuppte sich als zweistöckiges Haus im Kolonialstil von Monterey, blass und ambitiös oben auf einer mit englischem Raigras bewachsenen Anhöhe, die genug Platz für verschiedene
Weitere Kostenlose Bücher