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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Steinbank ab, um den Koi Futter zuzuwerfen. Die Fische schossen auf mich zu, noch bevor die Kügelchen auf die Wasseroberfläche trafen, und verschmolzen am Rand in einem schaumigen Wirbel. Plötzlich färbte sich der Himmel metallisch grau und ließ das Wasser fast schwarz wirken. Die Luft war kühl, geruchlos und genauso abgestanden wie oben am Tatort, doch das grüne Laub und das Plätschern des Wassers bildeten einen scharfen Kontrast zu dem Gefühl der Leblosigkeit, das dort geherrscht hatte.
    Oben in den Hügeln kann der Septemberdunst romantisch als Nebel bezeichnet werden. Unser Grundstück ist nicht groß, aber dank einer unverbaubaren Westgrenze abgeschieden und umgeben von alten Kiefern und blassgelben Gummibäumen, die die Illusion von Einsamkeit erzeugen. An diesem Morgen berührte das Grau des Himmels die Baumwipfel.
    Ich ging in die Knie und erlaubte einem der größeren Karpfen, an meinen Fingern zu knabbern. Ich dachte darüber nach, wie ich es manchmal tat, dass das Leben vergänglich war und ich das Glück hatte, inmitten von Ruhe und relativer Stille zu leben. Mein Vater hatte sich selbst mit Alkohol zerstört, und meine Mutter war zwar tapfer, aber unablässig traurig gewesen. Ich will nicht klagen, das Leben ist keine Zwangsjacke. Aber für Menschen, die das Elend mit der Muttermilch eingesogen haben, kann es ein schrecklich enger Pullover sein.
    Zuerst drang kein Geräusch aus dem Atelier, dann war plötzlich das Chip-chip von Robins Meißel zu hören. Das Gebäude ist eine eingeschossige Miniaturausgabe des Hauses mit hohen Fenstern und einer alten polierten Tür aus Kiefernholz, die Robin aus den Trümmern eines abgerissenen Hauses in der Innenstadt gerettet hatte. Ich schob die Tür auf und hörte leise Musik - Ry Cooder mit dem Bottleneck. Robin war an ihrer Werkbank, das Haar in einem roten Seidenschal hochgebunden. Sie trug einen grauen Jeans-Overall über einem schwarzen T-Shirt und stand so verkrümmt da, dass am Abend ihre Schultern schmerzen würden. Sie hörte mich nicht hereinkommen. Sie bearbeitete mit dem Meißel ein gitarrenförmiges Stück Fichtenholz aus Alaska. Holzspäne ringelten sich zu ihren Füßen und schufen ein gemütliches Bett für Spike. Sein Bulldoggenrumpf war in den Haufen eingesunken, und er schnarchte, dass seine Lefzen flatterten.
    Ich sah eine Weile zu, wie Robin den Schallkörper stimmte, dagegen klopfte, meißelte und wieder klopfte, die Finger an den Innenrändern entlanggleiten ließ und in der Bewegung innehielt, um nachzudenken, bevor sie fortfuhr. Ihre Handgelenke hatten etwa den Umfang von denen eines Kindes und schienen bei weitem zu fragil zu sein, um mit Stahl umzugehen, aber sie handhabte den Meißel, als wäre es ein Essstäbchen.
    Sie biss sich auf die Unterlippe, fuhr dann mit der Zunge darüber, während sie ihren Rücken noch etwas weiter krümmte. Eine rotbraune Haarsträhne löste sich aus dem Seidenschal, und sie schob sie ungeduldig zurück. Sie nahm meine Anwesenheit nicht wahr, obwohl ich nur drei oder vier Meter von ihr entfernt stand. Wie bei den meisten kreativen Menschen haben Zeit und Raum keine Bedeutung für sie, wenn sie mit ganzem Herzen bei der Sache ist.
    Ich trat näher und blieb am anderen Ende der Werkbank stehen. Ihre Mahagoniaugen weiteten sich; sie legte den Meißel beiseite, und die elfenbeinerne Front ihrer beiden übergroßen Schneidezähne blitzte zwischen ihren vollen, weichen Lippen auf. Ich lächelte ebenfalls und hielt ihr eine Tasse hin und betrachtete liebevoll die Konturen ihres herzförmigen Gesichts mit dem dunklen Teint, in dem sich seit unserer ersten Begegnung, die eine Ewigkeit zurücklag, ein paar weitere Fältchen gebildet hatten, auch wenn es noch immer glatt war.
    Normalerweise trug sie Ohrringe, doch nicht an diesem Morgen. Keine Uhr, kein Schmuck, kein Make-up. Sie hatte das Haus zu rasch verlassen.
    Ich spürte etwas an meinem Knöchel, hörte ein Winseln und Schnauben. Spike knurrte und stieß mit dem Kopf gegen mein Schienbein. Wir hatten ihn gemeinsam adoptiert, aber er hatte sie adoptiert.
    »Ruf deine Bestie zurück«, sagte ich.
    Robin lachte und nahm mir die Kaffeetasse ab. »Danke, Baby.« Sie streichelte mein Gesicht. Spike knurrte lauter. »Keine Angst, du bist immer noch mein Schöner«, sagte sie zu ihm.
    Sie setzte die Tasse ab und schlang ihre Arme um meinen Hals. Spike gab ein jämmerliches Bellen von sich, heiser und abgeschwächt durch seinen kurzen Bulldoggenkehlkopf.
    »Oh,

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