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Gnadentod

Gnadentod

Titel: Gnadentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Hemd, eine gebügelte graue Hose, eine Hornbrille und glänzende schwarze Halbschuhe. Stubenhockerblässe im Koboldsgesicht, keine Sonnenbräune. Jugendlicher Vorläufer des Managertyps, den ich erwartet hatte.
    Abwesender Gesichtsausdruck. Wenn die Verlobung gefeiert worden war, konnte ich nichts davon entdecken.
    Die junge Frau in seinem Arm lächelte. Joanne Heckler, die so zierlich war, wie er sie beschrieben hatte, war auf eine adrette Weise hübsch gewesen. Sie war hellhäutig, hatte ein schmales Gesicht, und ihre Haare waren lang und glatt, mit einem weißen Band darin. Auch sie trug eine Brille, kleiner als Richards und mit einem goldfarbenen Gestell. Ein Diamant blitzte an ihrem Ringfinger. Ihr ärmelloses Kleid war hellblau, züchtig für jene Zeit.
    Eine Elfe. Die Hochzeit der Kobolde.
    Man sagt, wenn Ehepaare sehr lange zusammenleben, sehen sie sich mit der Zeit immer ähnlicher. Richard und Joanne hatten so begonnen und waren sich dann immer unähnlicher geworden.
    Ich betrachtete das zweite Foto, eine verwaschene Polaroidaufnahme, auf der jemand zu sehen war, der niemandem ähnlich sah.
    Die Ansicht eines großen Bettes, vom Fußende aufgenommen. Eine zerknitterte goldene Tagesdecke war über eine mit einem Gobelin bedeckte Bettbank geworfen worden. Beigefarbene Kissen lagen aufgetürmt am Kopfteil, in deren Mitte ein Kopf schwebte.
    Ein weißes Gesicht. Rund. So schweineähnlich und aufgedunsen, dass die Gesichtszüge kaum mehr auszumachen waren. Aufgeblasene Wangen, Augen in Falten vergraben. Nur eine Andeutung braunen Haars, straff zurückgebunden von einer teigigen Stirn. Zusammengezogener Mund.
    Unter dem Kopf erhoben sich beigefarbene Laken zu einem glockenförmigen, verhangenen massigen Gebilde. Rechts davon stand ein eleganter geschnitzter Nachttisch aus einem dunklen, glänzenden Holz mit goldenen Knöpfen an den Schubladen. Hinter dem Kopfteil sah man eine rosafarbene, mit blaugrünen Blumen bedruckte Tapete. Ein Stück vergoldeter Rahmen mit Passepartout ließ ein Kunstwerk erahnen, das nicht mehr auf das Foto gepasst hatte.
    Einen schockierenden Augenblick lang fragte ich mich, ob Richard Doss mir das Foto einer Leiche präsentierte. Aber nein, die Augen waren offen … etwas stand in ihnen … Verzweiflung? Nein, schlimmer. Ein lebender Leichnam.
    »Eric hat es gemacht«, sagte Doss. »Mein Sohn. Er wollte ein Dokument haben.«
    »Von seiner Mutter?«, fragte ich heiser. Ich räusperte mich.
    »Von dem, was mit seiner Mutter passiert ist. Offen gesagt, er war stocksauer.«
    »Er war wütend auf sie?«
    »Nein«, sagte er, als wäre ich ein Idiot. »Auf die Situation. Auf diese Weise verarbeitet mein Sohn seine Wut.«
    »Indem er etwas dokumentiert?«
    »Indem er Ordnung hineinbringt. Dinge in die richtige Perspektive rückt. Ich persönlich halte es für eine großartige Methode, Stress zu bewältigen. Sie befähigt einen, durch den emotionalen Müll zu waten, die tatsächliche Bedeutung bestimmter Ereignisse zu analysieren, seine Gefühle zu akzeptieren und dann weiterzuziehen. Was wäre die Alternative? Sich im Elend anderer zu suhlen? Sein eigenes Leben kaputtzumachen?«
    Er zeigte mit dem Finger auf mich, als hätte ich ihm einen Vorwurf gemacht.
    »Wenn sich das herzlos anhört«, sagte er, »dann kann ich es nicht ändern, Doktor. Sie haben nicht in meinem Haus gelebt und haben nicht durchgemacht, was ich durchgemacht habe. Joanne hat mehr als ein Jahr dafür gebraucht, uns zu verlassen. Wir hatten Zeit, uns darauf einzustellen. Eric ist ein sehr intelligenter Junge - der klügste Mensch, den ich kenne. Trotzdem hat es ihm zu schaffen gemacht. Er war in seinem zweiten Semester in Stanford und ist nach Hause gekommen, um bei Joanne zu sein. Er hat sie hingebungsvoll gepflegt - halten Sie sich das vor Augen, wenn es Ihnen herzlos erscheint, dieses Foto zu machen. Und seiner Mutter hat es nichts ausgemacht. Sie hat einfach da gelegen - das Bild zeigt exakt, was sie zum Schluss war. Wie sie die Energie aufgebracht hat, mit dem Hurensohn Kontakt aufzunehmen, der sie getötet hat, werde ich nie begreifen.«
    »Dr. Mate.«
    Er fingerte an dem silbernen Handy herum, ohne von meinen Worten Notiz zu nehmen. Schließlich trafen sich unsere Blicke. Ich lächelte, versuchte ihm zu vermitteln, dass ich mir kein Urteil anmaßte. Seine Lider waren leicht gesenkt. Unter ihnen glänzten dunkle Augen wie Kohlenstücke.
    »Ich nehme die Bilder wieder mit.« Er beugte sich vor und streckte die Hand nach

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